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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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müssen Sie einen vorzüglichen Mann unter Ihren Mitarbeitern haben.«
    »Nein.«
    »Nein? Wie ermessen Sie dann die Bedeutung der wissenschaftlichen Informationen, die Sie seit kurzem veröffentlichen?«
    »Sie stammen aus gemeinhin verläßlichen Quellen.«
    Morin holte tief Luft. »Ah! Journalistengewäsch! Gemeinhin verläßliche Quellen. Wie wohltuend, es von den Lippen eines leibhaftigen Zeitungsmanns zu hören. Aber was sind das für Quellen? Offiziöse Sprecher? Der Regierung nahestehende Kreise? Ja? Ein Assistent des Staatspräsidenten? Ein vertraulicher Bericht, den einer Ihrer Korrespondenten eingesehen hat?«
    »Das letzte wäre mir zu dilettantisch.«
    »Dilettantisch?«
    Ich hatte das Wort benutzt, weil ich vermutet hatte, es würde ihn verletzen, und offensichtlich war die erhoffte Wirkung eingetreten. Trotzdem hätte ich nicht versuchen sollen, Salz in die Wunde zu reiben.
    »Sie würden einen schlechten Redakteur abgeben, Monsieur Morin«, fuhr ich fort. »Ich hatte angenommen, daß es auf der Hand lag, woher ich meine Informationen bezog. Hätte mein Korrespondent Einblick in einen vertraulichen Bericht gehabt, würde ich das natürlich nicht zugeben. In einem solchen Fall sagt man, die Nachricht stamme zwar nicht aus offizieller Quelle, sei aber trotzdem verläßlich, oder man spricht von einem Informanten, der ungenannt bleiben will. Auf diese Weise verhindert man, daß der Überbringer der Nachricht kompromittiert wird, und gleichzeitig sichert man sich für den Fall ab, daß das Loch in der Geheimhaltung mit voller Absicht aufgerissen wurde.«
    Drei Sekunden lang herrschte Schweigen, dann brach es aus Schneider heraus: »Aber Sie sind ein guter Redakteur, eh?«
    »Ich verstehe mein Handwerk – ich nehme es jedenfalls an.«
    »Warum halten Sie sich dann nicht an das, was Sie selbst predigen?«
    »In der Regel tue ich es.«
    »Sie müssen scherzen, Monsieur. Ist es üblich, daß man seinen Namen preisgibt?«
    »Nein.«
    »Aber genau das ist es, was Intercom getan hat. Stimmt es nicht?« Er beugte sich vor. »Wenn ich Mitglied einer sowjetischen Handelsmission wäre, das Ihnen vertrauliche Informationen hätte zukommen lassen, und plötzlich erlebte, daß mein Namen veröffentlicht wird – wie würden Sie reagieren, wenn ich Ihnen vorwerfe, mit mir ein übles Spiel getrieben zu haben?«
    Das beste, was ich jetzt tun konnte, war, den Stier bei den Hörnern zu packen. »Ich nehme an, Sie sprechen von N. W. Skriabin. Er hat sich bis jetzt bei mir noch nicht beschwert.«
    »Das ist keine Antwort«, sagte Morin. »Kennen Sie Skriabin? Sind Sie ihm je begegnet?«
    »Ich habe von ihm gehört.«
    »Wenn Sie von ihm gehört haben, dann müssen Sie auch wissen, daß er unter keinen Umständen Informationen preisgibt, wie Sie sie ihm zuschreiben.«
    »Warum nicht?« Ich spürte, daß ich in die Enge getrieben wurde; darum sagte ich das erstbeste, was mir gerade einfiel. »Als leitender Funktionär des KGB hatte er wahrscheinlich Zugang dazu.«
    Ich sah noch, wie Schneiders Hand auf mich zuraste, aber ich hatte keine Zeit mehr, mich zu schützen. Sie traf mich knapp oberhalb des Wangenknochens; der Schlag war so hart, daß ich fast vom Stuhl fiel. Einen kurzen Moment wußte ich überhaupt nicht, was eigentlich los war. Der Schmerz jagte mir durch den Schädel, und ich konnte nicht mehr richtig sehen. Dann begann es in meinen Ohren zu singen, Tränen traten mir in die Augen, und ich merkte, daß meine Brille auf meinem Schoß lag, wo auch der größte Teil meines Whiskys langsam versickerte.
    Automatisch setzte ich mir die Brille wieder auf. Das Gestell war verbogen.
    Schneider sah drohend auf mich herab. »Wäre ich Skriabin«, sagte er, »wäre dies nur der Anfang gewesen. Da ich aber nicht Skriabin, sondern nur ein Leser Ihres Blattes bin, der ein besonderes Bedürfnis hat, die Wahrheit zu erfahren, mag Sie das davor warnen, weiterhin Unsinn zu erzählen. Wer hat Ihnen die Information gegeben?«
    »Über den Seismographen?«
    »Fangen wir damit an.«
    Mir war klar, daß jetzt der Augenblick gekommen war, Bloch beim Wort zu nehmen und einen Teil der Verantwortung auf seine Schultern abzuwälzen.
    »Ich bekam sie nicht direkt«, antwortete ich. »Sie müssen verstehen …«
    Ich sah, wie Schneiders Hand wieder zum Schlag ausholte, aber Morin war ebenso schnell und hielt sie zurück.
    »Warte«, sagte er. »Ich fürchte, unser Freund Carter weiß noch gar nicht, worum es hier geht.« Er wandte sich an mich.

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