Das Internat
hatte an Jameson gezehrt. Es war ein rauer Weg, den er allein hatte beschreiten müssen, und er hatte unterwegs einige Dämonen ausgetrieben. Sicher nicht alle, doch sein Leben begann wieder, mehr Sinn zu ergeben. Er fragte sich, ob es Mattie ähnlich erging.
Vor Kurzem hatte ihr Assistent Jaydee wegen eines seiner Bücher bei Jameson angerufen. Beiläufig hatte Jameson sich nach Mattie erkundigt. Jaydee hatte nur geantwortet, dass sie immer noch freigestellt sei. Was Mattie tat, hatte Jaydee nicht erzählt, nur dass er sie höllisch vermisse. Das konnte Jameson nachvollziehen.
Er fragte sich, ob Matties Zurückhaltung mit ihren Freundinnen zu tun hatte. Die frühere First Lady war im Club Fed in Danbury untergebracht, einem Gefängnis mit niedrigster Sicherheitsstufe, in dem Frauen wie die Millionärsgattin Leona Helmsley ihre Zeit absaßen und wo Martha Stewart gelandet wäre, wenn sie es sich hätte aussuchen können. Den Papieren zufolge war Janes Anklage auf Totschlag reduziert worden. Davon abgesehen, hatte sie abgelehnt, in Berufung zu gehen. Trotzdem bezweifelte Jameson, dass Jane mehr als vier Jahre absitzen müsste, abzüglich der Zeit für gute Führung. In einem Zeitungsartikel hatte Jameson gelesen, dass Jane Mantle das Beste aus ihrer Strafe mache, Frauengruppen organisiere und sowohl für besseren Unterricht als auch für eine Berufsausbildung der Insassinnen kämpfe. Was aus Breeze Wheeler geworden war, wusste Jameson nicht. Er konnte sich vorstellen, dass sie einfach wie jeder Bürger der Vereinigten Staaten irgendwo ihr Glück versuchte.
Irgendwelchen Groll hatte Jameson nie gehegt, und er hatte den einsamen Mädchen inzwischen vergeben; ihre damalige Tat wertete er als Versuch, sich vor Millicent Rowe zu schützen. Sie waren ängstliche Kinder gewesen, die um ihr Leben gekämpft hatten. Sich selbst zu vergeben, war Jameson nicht so leichtgefallen.
"Danke", sagte der Richter und riss Jameson damit aus seinen Gedanken. Im Gerichtssaal war mittlerweile Ruhe eingekehrt. "Jetzt können wir weitermachen." Der Richter fragte, ob die Geschworenen in allen Punkten zu einem einstimmigen Urteil gekommen seien. Daraufhin bejahte der Sprecher und reichte dem Gerichtsdiener das Urteil. Nachdem der Richter die Worte gelesen hatte, bat er den Sprecher, das Urteil laut zu verlesen.
Die Stimme des Geschworenen hallte durch den schweigenden Saal. "Im Anklagepunkt des Mordes ersten Grades befinden wir die Angeklagte für nicht schuldig. Im Anklagepunkt des versuchten Mordes befinden wir die Angeklagte für … nicht schuldig."
Jameson war zu geschockt, um zu reagieren. Tansy Black kam in beiden Punkten davon. In einer vernünftigen Welt schien es nicht möglich zu sein, dass Jane Mantle Zeit für ein Verbrechen von vor zwanzig Jahren absaß, wohingegen Tansy Black freikam. Offenbar zweifelten die Geschworenen daran, dass Tansy ihren Vater getötet habe, trotz Matties Aussage. Sie folgten der These der Verteidigung, dass es ein Unfall gewesen sei: Der Schuss habe sich gelöst und ihn tödlich verletzt, als Grace versucht habe, Tansy zu entwaffnen.
Jameson konnte das Flimmern in seinem Kopf nicht stoppen. Augenscheinlich waren die Geschworenen auch nicht davon überzeugt, dass Tansy versucht habe, ihn umzubringen. Dass Jameson auf Tansy zugestürzt war, hatte der Verteidiger genutzt, um Tansys Angriff als Selbstverteidigung darzustellen. Und weil der Anklagepunkt der Entführung fallen gelassen worden war, war es schwierig gewesen, ein Motiv für den versuchten Mord zu finden. Hier ging es um die Todesstrafe. Bei Kapitalverbrechen neigten die Geschworenen dazu, sich darauf zu stützen, dass im Zweifel für den Angeklagten entschieden wurde. Trotzdem konnte Jameson nicht glauben, was er gehört hatte.
Und das konnte auch niemand sonst. Der ganze Gerichtssaal war in Aufruhr. Nur Mattie hatte sich nicht bewegt. Jameson wusste, dass sie genauso schockiert sein musste wie er. Schon wollte er zu ihr gehen und fragen, ob sie in Ordnung sei. Sie sah nicht so aus. Er wollte hingehen. Aber er tat es nicht.
EPILOG
T ansy Black hatte eine Identitätskrise. Auf dem Schreibtisch vor ihr lag eine Kopie des Testaments ihres Vaters. Um das Dokument einzusehen, hatte Tansy die Kombination des Bürosafes geknackt, denn sie traute den Anwälten ihres Vaters nicht. Sie wollte es selbst sehen. Aber sie war nicht auf das vorbereitet, was sie las.
Er hatte ihr alles hinterlassen. Alles.
Die meisten Dinge im Leben prallten von ihr
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