Das Internat
Gewissen.
"Töte mich." Sie schniefte. "Tu es einfach."
"Nein, tut mir leid", antwortete er. "So leicht wird es nicht. Dreh dich um."
Gehorsam drehte Tansy sich um und fragte sich, ob er ihr Gewalt antun würde. Einen Knoten knüpfen, der sie langsam erwürgen würde? War es Jameson Cross?
"Nimm die Hände auf den Rücken."
Er wollte sichergehen, dass sie nicht kämpfen konnte. Doch die Mühe hätte er sich sparen können. Tansy wusste nicht, wofür es sich gelohnt hätte, zu kämpfen.
Nachdem er ihr die Handgelenke mit etwas gesichert hatte, das sich wie Handschellen anfühlte, befahl er ihr, sich lang ausgestreckt auf den Boden zu legen. Sie fühlte einen Druck auf den Beinen – er drückte sie irgendwie nach unten –, dann spürte sie den brennenden Stich einer Nadel. Der Muskel ihres rechten Oberschenkels krampfte sich bei diesem Angriff zusammen wie eine Faust. Der Killer hatte die Spritze einfach durch die Kleidung gestoßen. Herzwein? Nein, ein starkes Beruhigungsmittel. Tansy spürte bereits, wie ihre Gedanken verschwammen. In ein paar Minuten würde sie weg sein.
Ein humaner Mörder also, der ihr eine lange Qual ersparte. Aber er hatte gesagt, dass es nicht leicht werden würde. Tansy verstand das nicht …
Im Dunkeln wurde sie wieder wach, vom Kreischen eines Feuers und einer Hitze geweckt, die stark genug war, Steine zum Schmelzen zu bringen. Die Luft stank nach Antiseptikum und muffiger Pappe. Tansy lag in einem Leichenkarton. Sie wurde eingeäschert. Wenn der Mörder eine Frau war, hätte Tansy auf Mattie Smith gesetzt.
Tansy hätte die Schlampe verbrennen lassen sollen.
Sie hätte die Identität ihres Mörders gern gekannt. Stolz überlegte sie, dass es ihm nicht gelungen wäre, wenn sie noch hätte leben wollen. Manche hielten es vielleicht für ein passendes Ende. Tansys Opfer waren, ohne es zu merken, unter die Erde gebracht worden, alle außer Frank. Und es war interessant gewesen, ihm dabei zuzusehen, wie er es begriff.
Sein eigener Speichel hatte ihn am meisten entsetzt. Er hatte sich das Kinn nicht abwischen können, mit der Zunge war es ihm auch nicht gelungen. Gelähmt, nur die Augen hatten zu jenem Zeitpunkt noch funktioniert. Sie waren groß geworden und hatten irre geguckt. Tränen waren ihm über das traurige, versteinerte Gesicht gelaufen.
Niemand könnte Tansy Blacks Tod bezeugen, das wusste sie. Aber wenigstens würde sie nicht so ein Chaos hinterlassen wie ihre Schwester.
Sie lächelte.
Wenn du in der Hölle schmorst, Vater, rutsch rüber und mach Platz für dein kleines Mädchen.
"Sie tasten mich ab – am ganzen Körper –, und das vor und nach jeder Besuchsstunde", sagte Jane mit gesenkter Stimme.
"Ist das gut oder schlecht?", fragte Mattie.
"Das hängt ganz davon ab, wer die Durchsuchung vornimmt."
Jane grinste zuerst. Matties Lächeln war zögerlicher und breiter.
In einem engen Raum saßen sie sich an einem Tisch gegenüber. Draußen stand ein Wächter und beobachtete sie durch eine verspiegelte Glaswand. Jane hatte Mattie in ihr Verteidigungsteam geholt, was bedeutete, dass Mattie sich nicht an die Besuchszeiten halten musste. Trotzdem wurden sie heute beobachtet, weil jemand anderes erwartet worden war.
Dass Jane gut aussah, überraschte Mattie nicht im Mindesten. Jane hatte Gewicht verloren, aber das etwas hagere Aussehen stand ihr gut. Außerdem hatte sie eine Mission. Die Reform der Gefängnisse. Jane war immer am besten, wenn die Aufgaben unlösbar schienen.
"Dein Team will und kann jederzeit loslegen", erinnerte Mattie sie. "Sag ein Wort, und wir gehen in die Berufung."
"Die Antwort lautet nein." Jane war standhaft.
"Ernsthaft? Du willst das hier noch drei Jahre lang durchziehen?" Fast ein Jahr ihrer Strafe hatte Jane bereits abgesessen, den viermonatigen Prozess eingeschlossen. Ihr Verteidigungsteam hatte vor dem Hintergrund, dass Jane zur Tatzeit erst vierzehn war, auf vier Jahre plädiert. Wäre Jane damals achtzehn gewesen, hätte der Fall nicht länger dem Jugendgericht unterstanden. Doch so war sie mit maximal vier Jahren davongekommen. Der milde gestimmte Richter hatte den Anwälten recht gegeben.
"Na ja, schau dich hier mal um", sagte Jane. "Es gibt hier so viel zu tun, Mattie. Ich habe bereits eine Gruppe für Frauen organisiert, und …"
Die Tür flog auf und Breeze betrat den Raum, begleitet von einer Wächterin. Sobald die Gefängniswärterin verschwunden war, glitt Breeze auf einen Stuhl. Ihre Augen funkelten, als sie den Blick
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