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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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noch nicht so weit. Sie konnte hier und jetzt keine Entscheidung treffen, die immerhin weitreichende Folgen hatte. Und Viktor wusste das. Aber statt ihr Zeit zu lassen, versuchte er sie zu überrumpeln und spannte dazu seine Freunde ein, die sie nicht leiden konnte. Überhaupt nicht. Lena lächelte süßlich, aber auch ein wenig boshaft. So, als freue sie sich insgeheim, dass Viktor ihr keine Wahl ließ? Keine Wahl?
    Sie zerknüllte die Serviette mit der linken Hand und schluckte einmal. Alles war still geworden, auch an den Nachbartischen waren die Gespräche verstummt. Die Gäste sahen erwartungsvoll zu ihnen hin. Auf dem Gesicht der jungen Frau im schwarzen Kleid spiegelte sich grenzenlose Bewunderung.
    Sie stand so abrupt auf, dass ihr Stuhl beinahe nach hinten kippte.
    Es wurde im Lokal noch ruhiger, nur im Hintergrund erklang leise Musik. Klirrend fiel irgendwo Besteck auf den Boden.
    Sie ergriff ihre Handtasche und sagte leise: »Tut mir leid, aus deinem Plan wird nichts. Ich wünsche dir und deinen Freunden noch einen schönen Abend.«
    Und damit ging Claire zum Ausgang. Sie versuchte die Blicke der Gäste zu ignorieren, sah aber noch, dass das junge Mädchen mit offenem Mund zu ihr hinstarrte. Dann war sie draußen. Ein Taxi fuhr gerade vor und sie stieg hastig ein und nannte dem Fahrer ihre Adresse. Er fuhr los, als Viktor gerade am Hoteleingang erschien. Zum Teufel mit ihnen allen.
    Der Taxifahrer, ein schon älterer Pakistaner, redete von seiner Tochter, die in den Staaten sei und studiere und schon perfekt englisch sprechen könne. Sie wünschte nur, so schnell wie möglich zu Hause zu sein und hätte ihm gerne gesagt, er solle schweigen. Aber der Mann konnte nichts dafür. Nichts für Viktors lächerlichen Versuch, sie zu überrumpeln, und auch nichts für Lenas intrigante Art. Sie murmelte etwas und war froh, dass Viktor keinen Schlüssel für ihre Wohnung besaß. Sie gab dem Taxifahrer ein großzügiges Trinkgeld und hörte im Geist Viktors Ermahnung, man dürfe dem Gesinde nicht zu freundlich begegnen, da dieses das auf Dauer nur ausnutzen werde. Gesinde! Wenn sie das schon hörte.
    Noch bevor sie die Wohnungstür aufschloss, hörte sie das Klingeln des Telefons. Sie ignorierte es und zog sich einen alten Morgenmantel an, der kein bisschen elegant war. Dazu noch eine dicke Schicht Creme aufs Gesicht. Auch so etwas, was Viktor nicht mochte. Er sagte einmal, eine Frau im alten Morgenmantel mit Lockenwicklern oder Gesichtsmaske sei für ihn der Inbegriff einer Schlampe.
    Immer noch klingelte es. Sie nahm eine angebrochene Flasche Rotwein mit ins Wohnzimmer und setzte sich hin.
    Was fiel ihm eigentlich ein? Und ausgerechnet mit Lena und Max. Lena, die überhaupt keine Klasse hatte und so von sich eingenommen war. Und dabei hatte sie ihr Jurastudium abbrechen müssen, weil sie es einfach nicht schaffte. Und Max hatte es zwar bis zum zweiten Staatsexamen gebracht, arbeitete aber in einem Unternehmen in der Rechtsabteilung. Soviel sie wusste, verdiente Lena sogar mehr als er. Klar, weil sie sich besser verkaufen konnte als Max.
    Die beiden waren ein einfältiges, völlig uninteressantes Paar und sie konnte zuerst nicht verstehen, wieso Viktor die Freundschaft mit ihnen pflegte. Aber dann ging ihr auf, dass es die Bewunderung war, mit der beide ihn betrachteten. Das sah ihm ähnlich. Bewundert werden zu wollen, was sie nie getan hatte.

    Das Telefon begann wieder mit seinem Klingelterror, aber Claire blieb sitzen. Sollte es doch die ganze Nacht klingeln. Sie konnte immer noch den Stecker aus der Dose ziehen. Sie stellte den Fernseher an, zappte sich durch die Programme und blieb bei einer Verkaufsshow hängen, in der ein übergewichtiger Moderator ein Handy mit etlichen Funktionen anpries.
    Sie nahm sich ein zweites Glas Wein und merkte, dass sie allmählich betrunken wurde. Egal, morgen würde sie etwas länger schlafen. Sie konnte auch einmal zu spät kommen, so wie Patricia.
    Was hatte sie vorhin im Auto noch gedacht? Viktor sei diskret? Was für ein schlechter Menschenkenner sie doch war. Wie konnte er bloß seine blöden Freunde in eine so private Sache hineinziehen. Ob sie ihm am Ende noch den Vorschlag gemacht hatten? Genau, so musste es gewesen sein. Lena hatte ihm sicher gesagt, er solle ihr einen Antrag in ihrem Beisein machen. Und Viktor war sofort darauf hereingefallen. Weil er sie nicht wirklich durchschaute. Seine tollen Freunde. Lena musste wissen, dass sie so etwas auf den Tod nicht ausstehen

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