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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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ganz wunderbar werden«, sagte Claire und klatschte in die Hände. »Ich sehe dich schon von einem Ausritt zurückkommen, in deinem Gefolge vier Reiter, denen man die Begeisterung am Gesicht ablesen kann. Und ich stehe an der Rezeption und spreche mit einem Gast, der gerne reiten möchte. Es ist einfach perfekt.«
    Tim lächelte.
    »Manchmal denke ich, das müssten jetzt unsere Eltern sehen. Was sie wohl dazu sagen würden?«
    Claire winkte ab.
    »Du kennst sie ja. Sie interessieren sich nur für sich selbst. Sie wissen nicht, dass ich hier bin.«

    Tim verschwand wieder in den Stallungen und Claire blieb nachdenklich vor den Fliederbäumen stehen. Sie mussten geschnitten werden. Zumindest die verblühten Rispen mussten entfernt werden, denn sie nahmen dem Baum zu viel Kraft weg. Sie hatte einmal irgendwo gelesen, dass das mittlere Aufblühdatum für den Flieder Mitte Mai war. Nach der Fliederblüte war der Winter endgültig vorbei. Sie liebte den Duft des Flieders, der für sie ein Symbol für den Frühsommer war. Aber jetzt war schon Herbst, bald würde der Winter kommen. Und Weihnachten. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie liebte Weihnachten, die festliche Atmosphäre, die Geschenke, die erwartungsvolle Haltung, die sie von ihrer Kindheit mit hinüber in das Erwachsenenalter genommen hatte.
    Viktor hatte das nicht verstanden. Weihnachten bedeutete ihm nichts, wie ihr jetzt erst aufging. Vielleicht, weil er ein schwieriges Elternhaus gehabt hatte, überlegte sie. Vielleicht wurde bei ihnen nicht gefeiert und er konnte so ihre Freude nicht verstehen. Einen Moment tat er ihr leid. Mittlerweile musste er herausgefunden haben, dass sie weg war. Was er wohl dachte?
    Nachmittags fuhren sie nach Galway. Tim erzählte ihr einiges über die Stadt, die an der Westküste lag und durch zwei Universitäten als jugendlichste Stadt Irlands galt.
    »Sie wird auch die › City of the Tribes ‹ genannt, die Stadt der Stämme, da sie im Mittelalter von über einem Dutzend reichen Clans regiert wurde. Du musst Galway im Sommer sehen«, fuhr er fort. »Hier gibt es unendlich viele Festivals, es ist immer etwas los.«
    Ja, das konnte sie sich vorstellen. Die lässige Lebenseinstellung der Iren, dazu die Attitüden der Künstler.
    Tim parkte in einer schmalen, bunten Seitenstraße im absoluten Halteverbot in der Nähe des Eyre Square. Sie überquerten den Platz, der von vielen Geschäften, Hotels und Pubs umgeben war und wichen drei Jugendlichen aus, die wie Raketen auf ihren Skateboards hin- und herrasten.
    Tim ging schnell, sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Es war wie früher. Wenn er es nicht erwarten konnte, irgendwo hinzukommen, hatte er ein ziemliches Tempo drauf. Sie liefen durch mittelalterlich anmutende Straßen und sie nahm sich vor, einmal ganz alleine durch Galway zu gehen, um sich in Ruhe alles anzusehen. Tim blieb schließlich vor der Auslage eines Reitsportgeschäfts stehen.
    »Hier ist es. Es gibt noch ein zweites Geschäft, aber das Personal ist ein wenig arrogant, deshalb gehe ich lieber hierhin.«
    Helles Glockengeläut kündigte ihren Eintritt an. Claire umfing der intensive Geruch nach Leder, der sie spontan an Tims früheres Zimmer erinnerte. Weil ihre Mutter den Geruch von Leder nicht mochte, musste Tim seine Stiefel immer in seinem Zimmer lassen.
    Spontan ärgerte sie sich darüber. Das hatte sie sicher bewusst getan, weil sie sein Hobby ablehnte und ihm das auf diese Weise bedeuten wollte. Wie kleinkariert ihre Eltern doch gewesen waren.
    Die Verkäuferin schien Tim zu kennen, denn sie lächelte freundlich und sagte etwas zu ihm, was Claire nicht verstand. Tim antwortete, ebenfalls auf Irisch.
    Sie sah sich um. An einer Wand hingen Dutzende von Sätteln, darunter etliche Trensen und weiteres Zaumzeug. Die Sättel waren unterteilt in Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitssättel, wie weiße Schilder oberhalb angaben. Aber für sie sahen alle gleich aus. An den Trensen blinkten Mundstücke in allen Größen. Ein drehbarer Ständer bot Zügel in unterschiedlicher Ausführung an und Lederstücke mit Schnallen, deren Verwendung ihr schleierhaft war.
    Weiter hinten hingen Reithosen in einem geöffneten Einbauschrank. Daneben Blusen und Pullover. Ein Wühltisch bot Seidenschals mit Pferdemotiven an.
    Sie stöberte ein wenig bei den Reithosen, die es in nahezu allen Farben gab, manche mit Lederbesatz am Gesäß und der Innenseite der Beine, manche ohne. Dann wandte sie sich den Reitstiefeln zu, die

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