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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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nicht ebenfalls stehen bleiben sollte. Bis er nachgab. Aber Tim setzte sich schon in Bewegung und sie folgte ihm.
    »Hallo«, sagte sie und hörte selbst, wie unfreundlich das klang. »Wie hast du mich gefunden?« Das war auch nicht viel besser.
    »Das kann ja wohl kein Problem sein, wenn du die Sekretärin deines Chefs mit der Buchung des Flugs beauftragst.«
    Seine Stimme klang messerscharf, wie immer, wenn er wütend war.
    Aber woher wusste er, wo der Hof ihres Bruders lag? Sie beschloss, ihn nicht zu fragen, und sagte stattdessen: »Tim, das ist Viktor. Viktor, das ist mein Bruder Tim. Ihr kennt euch ja noch nicht.«
    Die Männer reichten sich die Hand. Dann sah Tim sie unschlüssig an.
    »Wir waren in der Stadt essen«, sagte sie und konnte den Schluckauf nicht unterdrücken, der den Satz in zwei Hälften teilte. »Hast du schon gegessen?«
    »Ja, im Flugzeug.«
    Das Gespräch verstummte und Viktor ließ seinen Blick über den Hof, die Stallungen und das Wohnhaus schweifen, und sie sah seinem Gesicht an, was er dachte. Es war ihm nicht nobel genug. Nobel, das war eines seiner Lieblingswörter. Etwas musste nobel sein, sonst taugte es nichts. Und elegant, das war auch wichtig. Und es durfte nicht klein sein. Bei ihm musste alles groß sein. Wie seine Wohnung mit den großen Räumen, wie das Haus, das er bauen wollte, oder das Auto, das er fuhr. Es waren seine Dimensionen, die alles so unbehaglich machten.
    Der Hof und die Anlage, alles das war ihm zu klein, zu eng, zu einfach. Er spürte nicht die warme freundliche Atmosphäre, sondern roch stattdessen die Pferde, den Mist, die Ausdünstungen der Tiere.
    »Lasst uns doch reingehen«, erinnerte Tim sich an seine Pflichten als Hausherr und schloss die Tür auf. Claire ließ Viktor den Vortritt, der Tim in die Küche folgte. Obwohl sie hinter ihm stand, erkannte sie an seiner Haltung, dass er innerlich auf Distanz ging. Ihre Küche war natürlich nicht mit seiner zu vergleichen. Seine war groß, hell und sauber. Ihre Küche dagegen war klein, etwas unordentlich und musste in seinen Augen wie Stückwerk aussehen.
    »Setz dich«, forderte sie Viktor auf und bemühte sich, deutlich zu sprechen. »Möchtest du eine Tasse Tee?«
    Viktor nickte gnädig.
    »Claire, ich gehe schnell füttern«, sagte Tim, der Feigling.
    »Okay.«
    War vielleicht besser so. Sie wollte nicht, dass Viktor etwas Negatives über den Hof sagte, was Tim nur verletzen würde.
    Sie hantierte mit den Tassen herum und sah unauffällig an sich hinunter. Die alte Jeans, die abgetretenen Schuhe und kein Makeup. So war sie auch in der Stadt gewesen und es hatte sie nicht gestört. Aber auf Viktor mit seinem maßgeschneiderten Anzug und den teuren italienischen Schuhen musste sie bestenfalls zu leger wirken. Schlimmstenfalls schlampig. Wie seine Mutter.
    Durch die Wärme des Ofens fühlte sie sich betrunkener, als sie war. Als sie die Tassen zum Tisch balancierte, stolperte sie um ein Haar und ruderte mit dem rechten Arm. Der Tee schwappte über in die Untertasse und sie fluchte unterdrückt.
    »Was hast du vor?«, fragte Viktor ohne weitere Überleitung. »Ich gebe ja zu, dass ich möglicherweise etwas unsensibel war, als ich Lena und Max mit eingespannt habe. Wo du die beiden einfach nicht leiden kannst.«
    »Unsensibel«, zischte sie. »Das war wirklich das Letzte. Wie kannst du etwas so Privates wie eine Verlobung vor anderen inszenieren? Und Lea, die blöde Kuh, dachte wohl, ich ließe mich von euch täuschen.«
    Das Artikulieren fiel ihr schwer.
    »Lena ist keine blöde Kuh«, blaffte er erwartungsgemäß zurück. »Ich verstehe einfach nicht, warum du sie nicht leiden kannst.«
    »Und ich verstehe nicht, warum du sie auch noch in Schutz nimmst«, sagte sie wütend. »Wenn ich ihr süßliches Grinsen schon sehe. Mit so einer macht man keine gemeinsame Sache.«
    Der Schluckauf verschluckte die letzte Silbe.
    »Du bist ja betrunken«, sagte er verächtlich. »Und wie es hier aussieht.«

    Sein Blick streifte die leeren Weinflaschen und sie ärgerte sich, dass sie sie immer noch nicht fortgebracht hatte. Sie hatte Tim schon etliche Male fragen wollen, wie sie entsorgt wurden, es aber immer wieder vergessen. Außerdem lag auf einem der Küchenschränke die ungeöffnete Post von zwei Tagen. Und das Frühstücksgeschirr war auch noch nicht abgewaschen, sondern stapelte sich neben der Spüle. Warum hatte sie am Morgen denn nicht gespült, überlegte sie angestrengt. Aber es fiel ihr nicht ein.
    »Ich

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