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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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und aufgekratzt gleichzeitig und freute sich auf Tim.
    In ihrer Nähe saß ein Paar, das sich leise stritt. Obwohl der Mann mit seinem rötlichen Haar ganz anders aussah als Viktor, erinnerte er sie sehr an ihn. Vielleicht war es seine Art, einfach weiterzureden, wenn seine Frau etwas sagen wollte. Das konnte Viktor auch gut. Ohne laut zu werden, ohne dem anderen Gelegenheit für eine Antwort zu geben. Vielleicht war es aber auch der Ausdruck in seinem Gesicht, der sie an Viktor erinnerte. Als ob er einem Halbirren etwas furchtbar Einfaches erklären müsse. Ein richtiger Besserwisser. Sie konnte erkennen, dass die Frau anderer Meinung war, aber er ließ sie einfach nicht zu Wort kommen. Sie wird ihn sicher bald verlassen, dachte sie zufrieden.
    Sie nippte an ihrem Drink und spürte wohlig die Wärme in ihrem Magen. Wie froh würde Tim sein, dass sie es wirklich durchgezogen hatte. Wieso war sie nicht schon früher auf die Idee gekommen, etwas mit ihm zusammen zu unternehmen, fragte sie sich. Sie kamen gut miteinander aus und stritten sich nie. Nicht einmal, als sie kleiner waren. Tim ließ alles mit sich machen, wehrte sich nie und erweckte in ihr einen Beschützerinstinkt. Sie hatte in ihm immer den kleinen Bruder gesehen. Sie waren wirklich die perfekte Ergänzung.
    Dann sprach der Kapitän. Zu seiner Stimme wurde auf dem Bildschirm sein Porträt gezeigt. Er sprach nur kurz mit leicht arroganter Stimme, so als wolle er sich nicht allzu lange mit den Fluggästen abgeben. Schließlich hatte er Wichtigeres zu tun. Auch bei Viktor war oft Arroganz durchgeschimmert, eine Selbstgefälligkeit, die sie immer wütend gemacht hatte. Deshalb wollte er auch nicht, dass sie eine andere Arbeit annahm. Es hätte ja sein können, dass sie Karriere machte. Richtige Karriere mit Auslandsaufenthalten, eigener Sekretärin und einem satten Jahresgehalt. Damit wäre er nie zurechtgekommen. Dass sie vielleicht sogar mehr verdiente als er.
    Die Abwicklung durch den Zoll zog sich hin. Der Zollbeamte beäugte sie misstrauisch und verlangte dann, dass sie ihren kleinen Koffer öffnete. Aber sie hatte die Zahlenkombination vergessen und sagte ihm das auch. Er holte sofort einen Kollegen und die Leute hinter ihr fingen an zu murren.
    Was zum Teufel denkt er denn, was ich im Koffer habe, fragte sie sich erbost. Sie sah den Beamten mit einem anderen Mann sprechen, dann beugten sich beide nach vorne und blickten auf den Bildschirm. Der Zollbeamte hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sie musste an einen Streit mit Viktor denken. Sie wusste nicht mehr, worum es ging, aber Viktor hatte damals ebenso vor ihr gestanden, sie schweigend fixiert und auf eine Entschuldigung gewartet. Sie wusste noch, dass sie sich entschuldigt und hinterher über sich selbst geärgert hatte. Ihr war durch den Kopf gegangen, dass Frauen nun einmal diplomatisch waren und oft nachgaben. Um des lieben Friedens willen. Aber war das überhaupt richtig? Warum mussten immer die Frauen nachgeben?
    »Ja, was denn jetzt?«, die Stimme ertönte hinter ihr. Ein älterer Mann sah sie genervt an. »Worauf warten Sie denn noch?«
    Jetzt erst sah sie, dass der Zollbeamte sie anstarrte. Es ging weiter. Sie straffte sich und ging los, hörte aber noch den Mann hinter sich sagen: »Junge Frauen machen doch nur Schwierigkeiten und stehlen einem die Zeit.«
    Das hätte auch Viktor sagen können. Er konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn er warten musste. Er wurde immer sofort ungeduldig, wenn er nicht sofort bedient wurde, und schien zu glauben, er habe vor allen anderen Vorrang. Das hatte sie ihm auch einmal gesagt und er hatte es bestritten, zum Schluss aber zugegeben, dass er seine Zeit als kostbar ansah. Schließlich wisse man nicht, wie viel Zeit einem gegeben sei, was sie für eine alberne Begründung hielt. So wie viele seiner Begründungen.
    Sie verscheuchte den Gedanken an ihn und atmete tief durch.
    Sie hatte alles erledigt und brauchte sich nun um nichts mehr zu kümmern. Wundervolle Zeiten lagen vor ihr.

    Wieder holte Tim sie ab. Aber diesmal war er nicht bedrückt, wie beim letzten Mal, sondern voller Energie. Sie umarmten sich, er fragte, ob alles okay sei, und brachte sie dann zum Auto.
    »Hast du Viktor auch getroffen?«, fragte er vorsichtig.
    »Ja. Ich glaube, er hat begriffen, dass es vorbei ist.«
    »Und du leidest nicht darunter?«, fragte er vorsichtig.
    »Nein«, sagte sie ruhig. »Es war die richtige Entscheidung und sie war zudem überfällig. Es wäre

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