Das irische Erbe
alles nicht geht. Ich will nicht weiterdenken. Ohne ihn sterbe ich, das ist gewiss.«
Dann veränderte sich ihr Ton wieder. »Wir haben ein zauberhaftes Café gefunden, direkt am Strand, und dort Kaffee getrunken und aufs Meer geblickt und so getan, als seien wir ein Ehepaar. Frederick hat mir von den Aran Islands erzählt, er stammt von dort. Ich möchte unbedingt dorthin.« Dann ging es sprunghaft weiter. »Die Wirtin ist eine Frau in meinem Alter mit feuerrotem Haar und wunderschönen blauen Augen. Ich glaube, das neue Jahr wird mir vieles geben.«
Inveran. Sie beschloss, Tim danach zu befragen.
Dann berichtete Maureen noch, sie habe ein verstecktes Zimmer im Keller gefunden, das niemand kenne. »Aus Langeweile habe ich in alten Unterlagen geblättert und bin auf die Baupläne gestoßen. Ich konnte mir zuerst keinen Reim darauf machen, warum einer der Räume nicht so tief wie die anderen ist. Der Platz dahinter war auf den Plänen nur schraffiert. Dann kam mir der Verdacht, dass es sich vielleicht um ein geheimes Zimmer handeln könnte. Und so war es auch. Ich habe so lange gesucht, bis ich den Zutritt zu dem Raum fand. Er ist ein ideales Versteck.«
Tim kannte Inveran. Es liege gar nicht so weit entfernt und er müsse sowieso dorthin wegen einer Auktion, die er besuchen wolle. Er bot ihr an mitzukommen, damit sie einmal sehe, wie es auf einer Auktion zugehe. Claire stimmte sofort zu und beschloss, sich dort ein wenig umzusehen. Sie fand es total spannend, auf Maureens Spuren zu wandeln. Wer weiß, was sie noch alles über sie herausfand.
Abends bearbeitete sie die Treppe mit dem Mittel, das Ben Hastings ihr gegeben hatte. Es war anstrengend, aber die Stufen wurden tatsächlich wieder sauber. Als sie fertig war, setzte sie sich einen Moment auf die unterste Stufe. Tim fegte gerade den Hof und sprach mit sich selbst. Piet schob den Futterwagen in die Scheune. Es dämmerte langsam, Zeit für einen Tee. Danach würde sie das Abendbrot zubereiten. Meistens saßen sie abends noch in der Küche oder im Wohnzimmer und redeten. Gegen zehn wurde sie dann schlagartig müde und ging zu Bett. Tim folgte wenig später. Die Tage waren anstrengend. Noch nie war sie so müde gewesen. Sie fiel jeden Abend erschöpft ins Bett und schlief meistens durch, bis der Wecker um sechs Uhr ging.
Samira wieherte. Sie musste sie noch reinholen und das wollte sie tun, bevor es ganz dunkel wurde. Sie nahm Halfter und Strick und ging zur Weide. Samira graste, hob aber sofort den Kopf, als sie nach ihr rief, und wieherte leise. Dann setzte sie sich in Bewegung.
Sie blickte auf das Halfter. Wie musste sie es dem Tier noch überziehen, überlegte sie. Zuerst das Maul und dann über die Ohren. Die Stute stupste sie an und sie gab ihr ein Stück Brot. Dann legte sie den Arm um den Hals und zog vorsichtig das Halfter über die Ohren. Das Tier ließ alles mit sich machen und folgte ihr willig in den Hof.
Ein leichter Wind ging, es war etwas wärmer als die Tage zuvor. Ein letztes Aufbäumen des Sommers, wie Tim sagte. Bald würde es kälter werden.
Samira grunzte zufrieden und prustete einmal, als wolle sie niesen.
Claire berührte sacht ihre Oberlippe und konnte nicht mehr verstehen, wovor sie immer Angst gehabt hatte. Pferde waren einfach wunderbare Tiere. Sie würde richtig reiten lernen und Tim auch mit den Pferden unterstützen können. Es war einfach perfekt.
Jetzt müsste nur noch Nina auftauchen, dachte sie, als sie die Boxentür hinter Samira verschloss.
14
C laire wunderte sich zuerst, als sie morgens nur zwei Arbeiter aus dem Bus aussteigen sah. Aber die beiden anderen würden sicher noch auftauchen. Vielleicht mit Ben Hastings. Sie dachte aber nicht weiter darüber nach, weil sie auf Alex wartete, der gleich kommen wollte. Sie stellte Kaffee auf den Tisch und legte Schreibzeug bereit.
Alex war pünktlich. Und hatte Zeit. Zuerst tranken sie in Ruhe Kaffee und unterhielten sich über den Umbau. Er fragte, wie die Arbeit vorangehe, und sie sagte ihm, es laufe ganz gut.
»Hoffentlich bleibt es so«, unkte er. »Man soll es sicher nicht ohne Weiteres glauben, aber von irischen Handwerkern heißt es, sie würden zwei Tage fleißig arbeiten und am dritten krankfeiern.«
Er lachte und sie stimmte mit ein. Sie hielt nichts von derartigen Vorurteilen und glaubte nicht an so etwas wie Mentalität.
Sie lernten eine knappe Stunde und Claire erfuhr, dass die Iren weder ein »Ja« noch ein »Nein« kannten. Stattdessen musste das Verb
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