Das irische Erbe
entgehen lassen. Es war zwar kein Großauftrag, aber er würde sicher einen netten Gewinn machen. Aber kurz vor drei Uhr verschwanden die beiden Männer und kamen auch nicht wieder.
Sie ging ins Steinhaus, sah sich um und dachte, dass die Männer nicht viel geschafft und das Haus stattdessen in eine richtige Baustelle verwandelt hatten. Sie hatten mit dem Durchbruch durch die rechte Wand begonnen, aber bis jetzt war nur ein ungefähr kopfgroßes Loch zu sehen. Was sollte sie tun, wenn es nicht zügig weiterging? Kurz vor Weihnachen wollten sie eröffnen. Wahrscheinlich war Hastings auf der Suche nach anderen Arbeitern, beruhigte sie sich.
Sie sagte Tim nichts, weil sie ihn nicht in Sorge versetzen wollte. Nach dem Abendbrot sahen sie sich eine irische Serie an und sie versuchte, sich auf die Sprache zu konzentrieren. Aber nach einer Stunde bekam sie Kopfschmerzen und ging zu Bett.
Unruhig wälzte sie sich hin und her. Immer wieder dachte sie an ihre finanziellen Mittel, rechnete durch, wie viel der Umbau insgesamt kosten würde, wie viel sie zur Überbrückung der lauen Anfangszeit brauchten und was ihr als Rücklage blieb. Sie rechnete mit einem Jahr, das ihnen noch keine großen Einkünfte verschaffen würde. Sie kannte Statistiken zu neu gegründeten Hotels. Manchmal war es ein Jahr, manchmal waren es aber auch drei Jahre. Es hing von ganz unterschiedlichen Faktoren ab, ob ein Hotel gut anlief oder nicht. Die Werbung spielte eine Rolle, Stammgäste, die sie weiterempfahlen, und auch eine gute Internetpräsentation. Bei den Arbeitskräften würden sie zuerst sparen. Sie konnte selbst die Zimmer herrichten. Anfangs würde es schwer sein, aber da mussten sie nun durch.
Sie erwachte mit Kopfschmerzen und stieg benommen die Treppe hinunter. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass der Bus auf dem gewohnten Platz stand. Ihre Laune hob sich etwas. Sie brühte sich einen starken Kaffee auf und füllte eine Thermoskanne damit. Dann ging sie hinüber. Aber wieder waren nur der Dürre und der Schnauzbart gekommen. Letzterer lächelte fröhlich und sagte etwas, was sie nicht verstand. Mit Entsetzen dachte sie an die Arbeitsmoral der Iren, die sich angeblich viel Zeit ließen und keine Termine einhielten. Irgendwo hatte sie das einmal gelesen. Was, wenn sie in vier Wochen immer noch nicht weitergekommen waren?
Der Dürre aß schon wieder. Und wie es hier aussah. Zwei umgekippte Eimer dienten als Sitz, eine Aktentasche stand geöffnet auf dem Boden. Sie warf einen vorsichtigen Blick hinein. Aber außer eingepackten Broten und zwei Äpfeln war die Tasche leer. Nirgendwo waren Pläne zu sehen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Wie sollten sie denn ohne genaue Anleitung arbeiten können?
Sie fragte den Schnauzbart nach der Handy-Nummer von Hastings und er verstand sie auch, zuckte aber ratlos mit den Schultern. Seinen Kollegen fragte sie gar nicht erst.
Sie nahm sich vor, am nächsten Tag in Hastings Büro zu fahren. Seine Sekretärin würde sicher wissen, wie er zu erreichen war.
Eine Stunde später fuhren sie und Tim in Richtung Inveran los. Ihr Bruder hatte von drei Ponys gehört, die bei einer Versteigerung angeboten wurden. Sofort tauchte vor ihrem geistigen Auge das Bild von verwahrlosten, hinkenden Ponys auf. Aber Tim beruhigte sie. Alle Tiere, die bei einer Auktion angeboten wurden, würden vorher von einem Tierarzt untersucht. Außerdem kenne er die Eigentümer flüchtig, sie seien keine Betrüger und ganz einfache Leute.
Piet blieb auf dem Hof, da er auf ein Telefonat wartete. Seine jüngste Tochter würde ihr zweites Kind bekommen. Sie fuhren eine halbe Stunde. Schon von Weitem sah Claire einen Flughafen. Bevor sie fragen konnte, sagte Tim: »Das ist der Connemara
Airport, von wo aus man zu den Inseln fliegt.«
»Welche Inseln?«
»Die Aran Islands. Inishmore, Inishmaan und Inisheer. Bei Gelegenheit werde ich sie dir gerne zeigen. Aber ich war auch noch nie dort.«
Die Aran Islands. Davon hatte Maureen doch geschrieben.
Kurz darauf kamen sie an. Der Reitstall lag außerhalb von Inveran in einer leichten Talsenke. Tim fuhr über einen holprigen Weg und der Wagen schaukelte hin und her und ebenso der Anhänger. Sie bogen ab auf eine abschüssige Weide, auf der sich bereits einige Hänger befanden.
Sie beobachtete einen jungen Mann, der neben einem Wagen stand, der rückwärts eingeparkt wurde. Ein anderer Mann öffnete gerade die Laderampe seines Hängers. Sie parkten und als Claire ausstieg, hörte
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