Das irische Erbe
Er wirkte sehr souverän und ganz in seinem Element. Sie trafen auch auf die früheren Besitzer der Ponys und diese erzählten, dass sie die Tiere von Bekannten bekommen hatten, die damit ihre Schulden tilgen wollten.
»Sie wurden ordentlich reingelegt mit den Tieren«, sagte Tim auf dem Weg zum Wagen. »Aber sie sind sie ja Gott sei Dank losgeworden.«
Obwohl die Auktion für ihn nichts erbracht hatte, war Tim gut gelaunt. Er hatte einen Tipp für Ponys bekommen, die er sich in den nächsten Tagen ansehen wollte.
»Lass uns einen Kaffee trinken, ja?«, fragte er.
Sie schlenderten durch das Dorf, das Claire ein wenig enttäuschte. Sie hatte es sich anders vorgestellt. Einsam liegende Cottages, goldgelbe Sandstrände und saftige grüne Wiesen. Aber der Strand war felsig und das Dorf wirkte ärmlich. Es war kein bisschen romantisch.
Sie fanden ein Café mit Ausblick auf das Meer und setzten sich in die Nähe des Kachelofens. Sie waren die einzigen Gäste. Sofort erschien ein junges, kaugummikauendes Mädchen mit Pferdeschwanz und Lippenpiercing. Sie bestellten zwei Kaffee und Tim sprach von dem Pony, von dem er gehört habe, während Claire sich umsah. Das Café gefiel ihr. Es war altmodisch eingerichtet mit bunten Lampenschirmen, plüschigen Sitzbänken und Aquarellzeichnungen von filigranen Blumen.
Unvermittelt musste sie an Maureen denken, die so begeistert von Inveran gewesen war. Aber sie war verliebt gewesen, da sahen die Dinge anders aus. Sie genoss die Wärme und nippte an ihrem Kaffee und ließ Tim reden, ohne ihm zuzuhören.
Als sie bezahlten, begann das junge Mädchen ein Gespräch, als wolle sie widerwillig einer lästigen Pflicht Touristen gegenüber nachkommen. Sie fragte, ob sie auf die Inseln übersetzen würden.
»Wirklich sehenswert. Das Schloss Dun Aengus ist das schönste prähistorische Schloss Europas und liegt am Rande einer achtzig Meter hohen Klippe auf der Insel Inishmore. Oder das Dun Conor Castle auf Inishmaan. Oder, wenn man sich dafür interessiert, die anonymen Gräber auf der Inishere«, spulte sie ab und erinnerte Claire an Führer in bayrischen Schlössern. »Welche der drei ist denn die größte Insel?«, fragte Claire.
»Soviel ich weiß, die Inishmoore«, sagte das junge Mädchen.
»Und welche ist die schönste?«
»Keine Ahnung«, sie zuckte mit den Schultern und verschwand.
Auf der Rückfahrt sprach Tim von einer anderen Auktion, die er vor Monaten besuchte und auf der sich der Eigentümer eines Pferdes mit dem Auktionator zu streiten begann.
Sie kamen nur schlecht voran und es dämmerte bereits, als sie endlich den Hof erreichten. Claire kniff die Augen zusammen. Jemand stand vor der Haustür, eine junge Frau in einem Trenchcoat. Dann sah Tim sie ebenfalls.
»Ach je, das ist Jennifer. Vielleicht hat sie was von Nina gehört.«
Sie stiegen aus. Tim eilte sofort auf sie zu und Claire folgte ihm.
Aber Jennifer hatte keine wirklichen Neuigkeiten. Sie war in erster Linie gekommen, weil sie ein Pferd erworben hatte und dieses gerne bei Tim unterstellen wollte.
Tim war im Stall verschwunden, während Claire mit Jennifer einen Tee trank. Die junge Frau hatte hübsche Gesichtszüge, die aber durch ihr Übergewicht nicht recht zur Geltung kommen wollten. Sie sei schon als Kind dick gewesen, erzählte sie Claire treuherzig. Obwohl sie kaum Süßigkeiten aß. Mittlerweile habe sie den Kampf gegen die Pfunde aufgegeben und kaufe sich nur noch weite Sachen.
Claire schmunzelte, als sie den über einen Stuhl geworfenen Trenchcoat sah. Dann fragte sie Jennifer über ihren Beruf aus.
»Ich mache Ermittlung und Beobachtung im Geschäfts- und Privatbereich«, spulte sie hinunter. »Aber im Moment laufen die Geschäfte schlecht, deshalb arbeite ich noch in einem Restaurant als Bedienung.«
»Und das Pferd?«, fragte Claire und dachte bei sich, dass Jennifer für sie keine Fremde war. Es kam ihr so vor, als kenne sie die junge Frau schon ewig. Seltsam.
»Habe ich von einem Kunden, der nicht bezahlen konnte«, sagte sie freimütig. »Aber er gefällt mir und ich will ihn behalten. Ich muss nur Reitstunden nehmen und reiten lernen. Aber das wollte ich sowieso.«
Tim kam wieder zurück und Jennifer sagte, sie habe sich wegen Nina noch weiter umgehört.
»Jemand sagte mir, Nina sei nicht mit der Gruppe mitgegangen. Im Auto hätte sie jedenfalls nicht gesessen. Sie seien ohne sie gefahren. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Mein Informant ist zurzeit verreist. Ich will da noch
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