Das Ist Mein Blut
den Leichenfund enthielt, und schob ihr einen Teller mit Bambergern vor die Nase, während er selbst sich in die Nürnberger Nachrichten vertiefte. »Die NN bringen auch nicht mehr als das. Aber das kommt sicher noch. Und hier …«, betonte er demonstrativ aufblickend, »etwas aus dem Polizeibericht. Jetzt stell dir das mal vor: Heute Nacht ist in Nürnberg an der Frauentormauer ein Polizeiwagen umgekippt. War aber auch kein Wunder, denn auf der einen Seite saßen lauter leichte Mädchen, auf der anderen lauter schwere Jungs.«
»Rainer!«
»Und«, fuhr er fort, den Zeigefinger eindringlich erhoben, »dann konnten sie nicht zur Tür hinaus, denn da saß ein Zuhälter.«
Zum Glück kam in diesem Augenblick der junge Beamte von gestern herein, ansonsten wäre Eva, deren Nerven schon durch Nahrungsmangel gehörig gespannt waren, möglicherweise explodiert. So raunte sie ihm nur kalt zu: »Wahnwitzig komisch, Kollege. Können wir uns jetzt auf den Fall konzentrieren?«
Er grinste jungenhaft. »Was gibt’s denn, Friedolin? Neuigkeiten?«
»Kronauers Exfreundin oder was auch immer, die mit dem Kind in Köln, ist informiert worden. Die andere Exfreundin, die mit dem anderen Kind« – »aus Niedersachsen«, warf Rainer ein. »Genau die«, fuhr der andere fort. »Na, jedenfalls wollten die Beamten vor Ort sie ebenfalls informieren und vielleicht auch ein paar Fragen stellen, aber wie sich herausgestellt hat, ist sie momentan nicht da.«
»Also Fehlanzeige«, seufzte Eva. Nicht, dass sie sich von den beiden fernen Exgeliebten viel erhofft hatte, aber dennoch …
»Na ja«, widersprach Friedolin. »Wie man’s nimmt. Die Frau hält sich nämlich momentan in dieser Gegend auf. Genau genommen in einem Gasthof in Gunzenhausen.«
Rainer sprang wie elektrisiert auf, setzte sich aber gleich wieder, und Eva zeigte ihre ganze Aufregung über diese interessante Entwicklung lediglich durch ein kurzes Stirnrunzeln.
»Und«, legte Friedolin noch eindringlich nach, den Zeigefinger erhoben, genauso wie Rainer, als er zur Pointe seines Kalauers gekommen war, »und Kronauer hat mit ihr telefoniert. Am Samstag.«
Zufrieden mit der Wirkung, die er erzielt hatte, legte er noch einen Zettel mit den erforderlichen Daten auf den Tisch und entschwand.
»Du kümmerst dich um den Journalisten, ich fahre die Frau befragen«, rief Eva aufgeregt, froh, dass es endlich vorwärts ging. Ihr Kollege seufzte. »Wie du meinst. Natürlich hätte ich auch gerne die Exgeliebte übernommen. Hoffentlich ist sie wenigstens nicht attraktiv.«
Eva sah ihn sprachlos vor Wut an, schnappte sich mit einem Blick eisiger Verachtung den Zettel und wandte sich ohne ein Wort zum Gehen. Ein wenig überrascht von ihrer Heftigkeit kam er ihr nach. »Eva? Was ist los, war doch bloß ein Scherz!«
Sie beachtete ihn nicht, sondern stürmte die Treppen hinunter und zu ihrem Auto. Blödes chauvinistisches Schwein, dachte sie und versuchte sich einzureden, dass es der Sexismus seiner Andeutung gewesen war, der sie so wütend gemacht hatte, aber das stimmte nicht ganz. Sie dachte an Irene und überlegte sich, wie sie reagiert hätte. Wahrscheinlich gar nicht. Irene neigte dazu, Bemerkungen dieser Art einfach zu überhören. Das ist wahrscheinlich ein exzellenter Selbstschutz gegen eine Welt, die nicht immer eben freundlich mit einem umsprang.
Nicht eben freundlich – Eva erinnerte sich daran, dass der erstochene und mit einem Kelch seines eigenen Blutes im Castrum Sablonetum aufgefundene Kronauer augenblicklich viel mehr Beachtung verdiente als die Bemerkungen ihres lästigen Kollegen. Sie schob darum die Gedanken, die nicht mit dem Fall zu tun hatten, von sich.
Als sie bei strahlendem Sonnenschein in Gunzenhausen einfuhr, hatte sie Grund sich zu wünschen, sie wäre nicht so überstürzt losgefahren. In dem kleinen, urfränkischen Gasthaus, in dem die Frau abgestiegen war, herrschte gähnende Leere. Empfangspersonal schien es hier jedenfalls nicht zu geben, oder nicht um diese Zeit. Verärgert wählte Eva die Handynummer, die Friedolin notiert hatte, und erfuhr von einer etwas unsicheren Frauenstimme, dass sich die Gesuchte mit ihrer Tochter auf einem Ausflug ins Hinterland des Altmühlsees befand. Sie seien mit den Fahrrädern unterwegs und würden erst am Nachmittag zurückkehren. Wenn sie dann wiederkommen wollte? Was eigentlich los sei? Oder ob es dringend sei, dann könnte Frau Schatz nach Cronheim herüberkommen. »Ist etwas passiert?«, fragte sie schließlich
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