Das Ist Mein Blut
der Straße vorbeifuhr.«
»Gegen Mitternacht hat es geregnet«, wandte Eva kopfschüttelnd ein. »Nicht sehr wahrscheinlich, dass man da ein Licht sehen konnte, selbst, wenn eins da war.«
Ein anderer fügte hinzu: »In einem Haus hat laut Aussage der Bewohner gegen neun der Hund wie wild zu bellen begonnen.«
Eva notierte sich pflichtschuldig beide Informationen, auch wenn sie kaum daran glaubte, dass sie das weiterbringen würde. »Der Hund«, hakte sie dennoch nach. »Haben Sie gefragt, ob er das öfter macht?«
»Es war auffällig, hat der Besitzer gesagt. Sein Hund belle schon mal, aber dieses Bellen wäre ungewöhnlich aufgeregt und lang anhaltend gewesen.«
»Gegen neun …« Eva seufzte. »Schön, was haben wir noch?«
»Fußspuren auf dem Feld hinter der Ruine«, meldete sich ein grauhaariger Veteran zu Wort. »Es gibt in der Nähe allerdings auch Hundespuren. Also könnte auch einfach jemand mit seinem Hund übers Feld gegangen sein, aber wir haben trotzdem Abdrücke davon gemacht.«
In diesem Augenblick ging die Tür auf, eine Kollegin trat herein und verkündete triumphierend: »Wir haben die Tatwaffe gefunden.« Es war die gleiche Frau, die ihnen am Vortag erzählt hatte, dass sie Kronauers Auto aufgespürt hatten – wie hieß sie gleich noch? Scherer? Nein, Schneider, Sandra Schneider. »Das Messer wird natürlich gerade untersucht«, fügte sie hinzu, konnte jedoch ein siegesgewisses Lächeln nicht unterdrücken. »Aber es muss die Tatwaffe sein.«
»Wo?«, war alles, was Eva in dem Moment sagen konnte.
»Im Brachfeld«, antwortete die Kollegin. »Mit etwas Erde bedeckt, nicht richtig eingebuddelt.«
»Spuren?« Eva merkte, dass die Aufregung über die Nachricht ihre Ausdrucksfähigkeit ziemlich beeinträchtigte, aber es war eine Erleichterung, in diesem nebulösen Fall endlich handfestes Beweismaterial zu haben. Wie viel es nützen würde – nun, das würden sie sehen.
»Das Messer war in eine Jutetasche eingewickelt. Gewöhnliches Ding, aber sie wird natürlich auch untersucht. Sonst wurde leider nicht viel zurückgelassen; die Erde war ziemlich trocken, nicht gerade ideal für die Spurenermittlung.«
»Trocken?«, wiederholte Eva ungläubig. »Es hat geschüttet! Gestern ist uns fast der Tatort weggeschwommen.«
»Ja, aber als das Messer vergraben wurde, war es noch trocken, so dass vom Täter keine brauchbaren Spuren hinterlassen worden sind.«
Hastig blätterte Eva in ihrem Notizblock, bis sie die Information fand, die sie suchte. Schön, wenn es keine Fußspuren gab, hatten sie dafür vielleicht etwas anderes. »Trocken bis gegen zehn«, murmelte sie und wandte sich dann laut an Sandra Schneider: »Könnte er – oder sie –, während es regnete, Spuren hinterlassen haben, die dann durch den anhaltenden Regen zerstört wurden?«
»Hab ich die Experten schon gefragt; sie meinen, nein, selbst nach diesem Regen gäbe es noch identifizierbare Spuren, wäre die Erde feucht gewesen, als das Messer da abgelegt wurde.«
»Ha!«, stieß Eva in grimmiger Befriedigung aus. »Das gibt uns eine genauere Tatzeit. Gegen zehn hat es an dem Abend zu regnen begonnen – wenn die Tatwaffe vorher … vor zehn! Vielleicht hat der Mann mit dem bellenden Hund doch Recht gehabt.« Allerdings fragte sie sich, was für Nerven der Mann oder die Frau gehabt haben musste. Zwischen sechs und zehn Uhr am Abend, an einem Ort, der zwar abgelegen war, an dem aber trotzdem jederzeit Leute vorbeikommen konnten. Was für ein Risiko war der Mörder eingegangen! Hatten sie es mit einem so kaltblütigen Menschen zu tun, dass er die Gefahr einfach in Kauf genommen hatte? Das würde Klara Weiß von der Liste der Verdächtigen streichen. Oder hatte der Täter spontan seine Chance genutzt, als er merkte, dass er und Kronauer alleine in Sablonetum waren und sich kein Zeuge in der Nähe befand? Vielleicht waren sie nicht einmal gemeinsam gekommen, das Opfer und sein Mörder. Vielleicht war der Täter dem Mann nachgeschlichen, in der Hoffnung, ihn irgendwo alleine zu erwischen, und hatte dann zugestoßen, als sich die Möglichkeit bot? Diese Erklärung klang zunächst sehr plausibel, aber sie vertrug sich nur schlecht mit dem Befund eines Betäubungsmittels in Kronauers Blut. Und Kronauers Blut in einem gestohlenen Abendmahlskelch, wie passte diese Tatsache zu den übrigen? Als ob der Fall nicht schon verwirrend genug war! Die Fakten lagen wie die durcheinandergeratenen Buchstaben eines langen Wortes auf dem Tisch, aber
Weitere Kostenlose Bücher