Das Ist Mein Blut
Sie mal schön wieder nach Hause, ja?‹ Der Mann schüttelt den Kopf, geht aber. Nach zwanzig Minuten ist er zurück, ein Wörterbuch in der Hand, noch aufgelöster als zuvor. ›Ich, ich hab meine Frau gedrosselt!‹«
»Rainer, bitte!«, rief Eva entnervt. »Das ist wirklich der schlechteste Witz, den ich seit Jahren gehört habe. Als ob wir nichts Besseres zu tun hätten! Was ist mit den Anrainern der Häuser auf der anderen Seite des Feldes? Kümmert sich jemand um die?«
»Zwei Beamte gehen von Haus zu Haus, aber du weißt schon, dass das nicht eben aussichtsreich ist, oder? Die Häuser sind einfach zu weit entfernt.«
»Weiß ich. Trotzdem … Gut, die Tatzeit, was haben wir dazu? Tod eingetreten wahrscheinlich zwischen sechs Uhr am gestrigen Abend und zwei Uhr morgens. Das ist dann wohl auch die Zeit, in der er in diese Steingrube gelegt wurde. Wie war das Wetter vergangene Nacht?«
»Bewölkt, aber trocken bis gegen zehn«, kam die Antwort prompt. »Danach Nieselregen. Der Regen heute Vormittag hat die Sache natürlich erschwert, sonst hätten wir todsicher Spuren. Wie es aussieht, sind sowohl das Opfer als auch unser Täter zu Fuß gekommen – jedenfalls haben wir bislang keine Reifenspuren gefunden.«
»Das heißt, sie kamen zusammen oder haben sich dort getroffen«, dachte Eva laut nach. »Und wenn es sich nicht gerade um einen Irren handelt, der aufs Geratewohl mit einem Brotmesser in der Gegend herumspaziert, können wir auch davon ausgehen, dass die beiden sich kannten. Und dass Kronauer keine Angst hatte, sonst wäre er nicht ohne Handy unterwegs gewesen.«
»Oder er kam ganz spontan dorthin. Oder der Mörder hat ihm das Handy abgenommen. Das werden wir wissen, sobald die Mobilfunkbetreiber die Daten übermitteln. Jede Nummer, die zwischen gestern Nachmittag und heute Morgen dort in der Gegend geortet wurde, wird überprüft … Und jetzt?«
3
Kronauers Eltern, ein Paar um die siebzig, lebten in Wuppertal, wo der Ermordete auch geboren war. Das erschwerte die Sache in mancher Hinsicht, aber Eva war froh, das Gespräch mit den beiden auf die Kollegen dort abwälzen zu können. Schlechte Nachrichten zu überbringen – und welche Nachricht konnte für Eltern schlimmer sein als die vom gewaltsamen Tod ihres Kindes, ganz gleich welchen Alters –, gehörte nicht zu ihren starken Seiten. Dafür beschlossen sie und Rainer, nach Nürnberg zu Kronauers Zeitung zu fahren, das doppelte Ziel vor Augen, seine Vorgesetzten zu informieren – und das möglichst, ohne die Presse allzu sehr gegen sich aufzubringen – und herauszufinden, was immer es dort herauszufinden gab.
Der Regen hatte nachgelassen, obwohl es noch immer unmotiviert vom drückenden Himmel tröpfelte. Als die beiden eben ins Auto steigen wollten, kam ihnen eine Kollegin nachgelaufen, um die neueste Information weiterzugeben, die eben hereingekommen war. Von den Mobilfunkbetreibern kam in punkto Tatort leider nichts Ermutigendes: Während der gesamten in Frage kommenden Zeit hatte sich niemand länger bei der Ruine aufgehalten. »Wahrscheinlich hat es sich mittlerweile auch unter den Verbrechern herumgesprochen, dass ihr Handy am Tatort sie verraten kann«, ließ Rainer ärgerlich vernehmen. »Verflixt und zugenäht. Hab schon immer geahnt, dass diese Dinger in Wirklichkeit doch nicht so nützlich sind, wie man immer sagt.«
»Kronauer scheint jedenfalls Ihrer Meinung gewesen zu sein«, antwortete die Kollegin. »Er hatte sein Handy auch nicht bei sich.« Dafür, erklärte sie weiter, habe sein Mobiltelefon aber dabei geholfen, sein Auto ausfindig zu machen. »Er muss es im Wagen gelassen haben. Die Spurensicherung ist auf dem Weg dorthin; es steht auf dem Parkplatz vor dem Ellinger Schloss. Wollen Sie es sich auch ansehen?«
Rainer warf Eva einen fragenden Blick zu. Sie nickte. »Schauen wir kurz vorbei, um uns ein Bild zu machen.«
Dietmar Kronauers Wagen, ein mittelgrünes Sportcoupé von Honda, war schwungvoll und etwas schief auf dem Parkplatz vor dem Ellinger Schloss abgestellt worden.
»Ich muss da heute Vormittag direkt dran vorbeigefahren sein«, bemerkte Eva brummig.
»Keine Parkscheibe«, merkte Rainer an. Die beiden standen dabei, als die Spurensicherung das Fahrzeug öffnete und alles einsackte, was von Interesse sein konnte, vor allem natürlich das offen auf dem Rücksitz liegende Handy. Die halbleere Zigarettenschachtel im Handschuhfach und der leere Aschenbecher ließen darauf schließen, dass Kronauer
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