Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson

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Ecke.
    Victor öffnete die Tür und betrachtete den Hahn mit versteinerter Miene etwa drei Sekunden lang. Dann seufzte er, ging wieder nach drinnen und schloss die Tür.
    LAURA
Was zum Teufel war das?
War das alles? Kriegen wir keine andere Reaktion?
    ICH
Nein. Diesen Mann haut nichts so leicht um.
    Victor war überraschend sauer, dass ich Geld für ein Riesenhuhn aus Blech »verschwendet« hatte. Er hatte keinen Sinn dafür, wie saukomisch ein anderthalb Meter hoher Gockel ist, der an der Haustür klingelt. Also sagte ich: »Gut, wenigstens sind es keine Handtücher«, was aber offenbar erst recht falsch war, denn Victor stürmte schreiend aus dem Zimmer und schloss sich in seinem Büro ein. Von draußen hörte ich ihn auf die Tasten einhämmern. Ich brüllte durch die Tür: »Ich wollte es dir zum Hochzeitstag schenken, du Arsch. Zwei Wochen im Voraus. FÜNFZEHN JAHRE SIND BLECHERNE GOCKELHOCHZEIT.«
    Er schrie zurück, der Gockel müsste weg, aber ich konnte ihn nicht allein verrücken, also zuckte ich nur mit den Schultern und setzte mich vor den Fernseher. Als dann der Typ von UPS kam, versteckte ich mich, aber der Typ sagte: »Eh Mann, schönes Huhn«, und Victor schrie: »DAS IST KEIN SCHÖNES HUHN«, was den Typen von UPS wahrscheinlich ziemlich verwirrte,
denn er wollte doch nur höflich sein, Victor
. Aber Victor war diesmal offenbar richtig verärgert, deshalb schleppte ich den Gockel schließlich in den Garten hinter dem Haus und klemmte ihn zwischen ein paar Bäumen ein. Dort konnte er die Schlangen abschrecken. Als ich ins Haus zurückkehrte, zog Victor mich wütend in sein Büro und ich sah, dass ich ihm Beyoncé direkt vor das Fenster gestellt hatte. Ich sagte: »
Genau.
BITTE SCHÖN.« Er könnte Beyoncé ja verrücken, wenn er wollte, was er aber doch nicht gemacht hat. Wahrscheinlich wegen der vielen großen Steine, mit denen ich Beyoncés Füße beschwert habe, damit niemand ihn klaut. Oder weil ihm Beyoncé inzwischen doch ans Herz gewachsen ist. Ich muss trotzdem immerdenken, wenn Beyoncé ein Handtuch gewesen wäre, wäre es gar nicht zu diesem Streit gekommen. Wirklich, diese ganze Hühnergeschichte ist im Grunde eine Lektion darin, dass man genauer aufpassen sollte, wo man seine Prioritäten setzt.
Und
er ist wirklich der Hammer und ich muss jedes Mal kichern, wenn ich ihn sehe. Also ich meine Beyoncé.
    Das war mein absolut schönster fünfzehnter Hochzeitstag.

NACKTE RATTEN GRATIS, NUR FÜR KINDER
    Der heutige Morgen fing an wie immer. Victor und ich standen auf, fuhren Hailey in den Kindergarten und machten an der örtlichen Tankstelle auf einen Kaffee und ein Schwätzchen Halt. Auf dem Nachhauseweg hielten wir an der Anschlagtafel, die als Zeitung unseres Dorfes dient. Dort hängen immer Einladungen zu Grillfesten in der näheren Umgebung oder jemand verkauft Teile eines kaputten Traktors oder sucht »saubere Erde« (was immer das ist), aber heute stellten wir fest, dass die Person, die uns schon im vergangenen Jahr mit ihren bizarren Anzeigen fasziniert hatte, sich zurückgemeldet hatte. Man fragte sich beim Lesen ihrer Anzeigen, wie es wohl bei ihr zu Hause aussah und ob man selber noch ganz normal war. Eine lautete zum Beispiel:
    »FLUGHÖRNCHEN – PREISWERT, KOSTENLOSE LIEFERUNG.«
    Einen Monat später hieß es stattdessen:
    »NORMALE EICHHÖRNCHEN – GRATIS IN GUTE HÄNDE ABZUGEBEN.
NICHT ZUM ESSEN.«
    Ich ziehe den Hut vor dieser Verzichtserklärung, war aber trotzdem verwirrt. Waren die Flughörnchen auch die ganze Zeit »normale« Eichhörnchen gewesen? Hatte der Verkäufer einen Monat gebraucht, bis er gemerkt hatte, dass sie keine Flügel besaßen? Wie viele Eichhörnchen hat er vom Dach hinuntergeworfen, bis er endlich aufgegeben und eingesehen hatte, dass sie nicht nur so taten, als könnten sie nicht fliegen? Waren die normalen Eichhörnchen nur deshalb gratis, weil sie eine posttraumatische Belastungsstörung hatten und an Höhenangst litten?
    Ich stellte mir vor, wie eine ganze Schar von Eichhörnchen auf dem Boden hockte und entsetzt zu ihren früheren Freunden hinaufstarrte, die mühelos von Ast zu Ast sprangen. »IHR HOLT EUCH DEN TOD!«, würden sie rufen und ihre früheren Kameraden würden nur mitleidig die kleinen Köpfe schütteln und sich fragen, was ihre Freunde Schreckliches erlebt haben konnten, dass sie sich so verändert hatten. In meinen Gedanken glichen die Eichhörnchen verstörten und schwerbeschädigten Veteranen aus Vietnam, die nach ihren