Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
Vom Netzwerk:
verkündet: »Also mein ›verrückter‹ Plan mit dem Feueralarm zur Besänftigung der Geister scheint doch aufgegangen zu sein, weil rate mal, du Klugscheißer, wer die Leichen gefunden hat, nach denen ich schon so lange suche? ICH SELBER.
Ich
habe sie gefunden.« Ich hob die Hand für den unvermeidlichen High five, aber Victor drückte stattdessen nur die Stummtaste seines Bürotelefons und ließ den Kopf in die Hände fallen. Was für uns beide enttäuschend war. Und natürlich wäre es besser gewesen, wenn ich gemerkt hätte, dass er gerade eine wichtige Telefonkonferenz hatte, aber wenn Victor nicht weiß, wie man die Stummtaste richtig drückt, ist das wirklich nicht meine Schuld.
    Nach einer Weile blickte er wieder auf und sagte, ich sollte die Hand runternehmen, er würde mich nicht dafür abklatschen, dass ich Leichen ausgrub. Als er das sagte, dachte ich, er ist schon ein sonderbarer Mensch, mein Victor, denn warum um alles in der Welt sollte ich Leichen ausgraben? Ich erklärte, ich hätte gemeint, dass ich endlich den verschollenen Friedhof gefunden hätte, nach dem ich schon seit unserem Einzug suchte, und dass die Gräber so alt wären, dass die Leichen bei einer Zombie-Apokalypse keine Bedrohung mehr darstellten. Victorschien darüber nicht so erleichtert zu sein wie ich, ich beschloss also, für uns beide erleichtert zu sein.
    Unsere extrem ruhigen Nachbarn.
    Dann sagte ich ihm noch, ich wollte das Grundstück mit dem Friedhof kaufen, um ganz bewusst
nichts
darauf zu bauen, als eine Art Ausgleich auf einer kosmischen Ebene für den Fall, dass wir tatsächlich versehentlich in einem über Gräbern erbauten Haus wohnten. Victor leuchtete das nicht ein, aber ich fragte bei den Besitzern an und die lehnten sofort ab. Das Grundstück gehörte offenbar den Angehörigen der dort begrabenen Leute und die wollten ihre toten Verwandten nicht verkaufen. Was auch wieder supergut passte, denn ich hätte gar kein Geld für ein Grundstück gehabt, auf dem ich sowieso nichts bauen konnte, und außerdem habe ich mir mit der Anfrage ein karmisches Guthaben verdient. Victor meinte zwar, das hätte mit Karma nichts zu tun, aber im nächsten Augenblick sagte er, er hätte an diesem Morgen etwas gefunden, das vermutlich mir gehörte, und zog die Zigarrenkiste mit dem zehn Jahre alten Joint heraus, die ich schon vermisst hatte. Ich rief: »DU MEINE FRESSE, JA. Danach habe ich schon überall gesucht!« Victor sah mich böse an und ich fügte hinzu: »Damit ich sie wegwerfen kann. Ich tue das jetzt gleich.« Er sah mich weiter streng an, weil ich einen zehn Jahre alten Joint in einer Zigarrenkiste aufbewahrte, deshalb sagte ich schließlich: »Von dir, Dad. Ich habe das von dir gelernt.« Aber Victor sah mich nur verwirrt an. Offenbar hat er in den Achtzigerjahren nicht viel ferngesehen und kennt den Anti-Raucher-Spot nicht.
    Die ganze Woche war eine Befreiung gewesen und ich spürte, wie es endlich wieder aufwärts ging. Ich nahm die Zigarrenkiste mit dem Uralt-Joint und ging nachdenklich nach draußen. Ich überlegte ihn wegzuwerfen, änderte dann aber meineMeinung, zündete ihn stattdessen an und ließ ihn auf derselben Glasschale vor sich hin glimmen, auf der ich auch den Salbei verbrannt hatte. Mit diesem letzten Opfer versöhnte ich die geierliebenden Indianer, die uns vielleicht die Skorpione auf den Hals geschickt hatten, hoffentlich endgültig.
    Während der Joint herunterbrannte, dachte ich über unser neues Leben auf dem Land nach. Wir hatten unseren geliebten Hund verloren, dafür aber ein freches Kätzchen gerettet, das ein Talent zu haben schien, Skorpione aufzuspüren. Wir hatten gegen Schwärme von Insekten kämpfen müssen, aber auch ein Rudel Fuchse adoptiert und nachts Rehe beobachtet, die zu Dutzenden lautlos an unserer Veranda vorbeizogen. Wir hatten alte Freunde zurückgelassen und neue kennengelernt. Wir empfanden ein stilles Glück, wenn wir Hailey über das Gras tanzen sahen, während die untergehende Sonne unser neues Haus in tiefrotes Licht tauchte. Ohne uns dessen bewusst zu sein, waren wir Laura Ingalls nachgefolgt und hatten ein wenig von der genügsamen, aber hart erkämpften Zufriedenheit gefunden, von der sie vor hundert Jahren geschrieben hatte. Ich holte tief Luft und dachte: »Ich bin zu Hause.«
    Da kam Victor nach draußen und sagte: »Warum rieche ich Pot? Rauchst du einen zehn Jahre alten Joint? WAS FÄLLT DIR EIN?« Das hat vielleicht die Romantik des Augenblicks ein bisschen

Weitere Kostenlose Bücher