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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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schrecklichen Erlebnissen nicht mehr mit dem wirklichen Leben zurechtkamen.
    Victor hielt das für lächerlich, aber ich erwiderte, es wäre genauso lächerlich, Eichhörnchen zu verschenken, die man auch einfach freilassen könnte, und er musste zugeben, dass er darauf keine Antwort wusste.
    Das mit den Anzeigen ging den ganzen Sommer lang so, dann brachen sie plötzlich ab. Wahrscheinlich (so vermutetenVictor und ich) weil der Mann (der vermutlich die besten Absichten hatte) zuletzt von seinen eigenen Eichhörnchen ermordet wurde. Doch heute Morgen, fast ein Jahr nach seiner ersten Anzeige, hing wieder ein Zettel in derselben, unverwechselbaren Handschrift an der Tafel. Der Mann lebte und wir konnten uns alle glücklich schätzen.
    Die Telefonnummer habe ich zensiert, um den Mann vor Telefonstreichen zu schützen. Und weil ich die ganzen Kurzkopfgleitbeutler für mich behalten will. Gleitbeutler, bei denen es sich vermutlich in Wirklichkeit nur um Mäuse mit wabbeligen Unterarmen handelt, die den Sturz vom Dach überlebt haben.
    VICTOR
Wow. Ich will gar nicht wissen, in was für einer Situation man stecken muss, wenn man so dringend eine Ratte braucht,
dass es nicht bis zum nächsten Tag warten kann
.
    ICH
Nicht? Ich schon.
    VICTOR
Das war ja klar
.
    ICH
Aber das ist doch interessant – ein Rattennotstand, der darin besteht, dass man unbedingt eine Ratte BRAUCHT. Also das genaue Gegenteil einer normalen Rattenplage. Klingt doch faszinierend. Wir sollten diesen Typen anrufen und näher kennenlernen. Bestimmt kann er tolle Geschichten erzählen.Ich meine, wer verschenkt haarlose Ratten an Kinder? Klingt schon ziemlich schräg.
    VICTOR
Dann ruf ihn doch an. Tu, als würdest du dich für ein Gratis-Eichhörnchen interessieren und hör dir an, was er zu sagen hat.
    ICH
Ob man irgendwelche Voraussetzungen erfüllen muss? Es wäre doch wirklich deprimierend, wenn man kein Gratis-Hörnchen bekommt.
    VICTOR
Stimmt.
Leider müssen wir Ihre Anfrage abschlägig bescheiden. Ihr Haus ist nicht einmal für Eichhörnchen geeignet.
    ICH
Es ist zwar nicht aufgeräumt, aber für Eichhörnchen käme es auf jeden Fall in Frage, denke ich. Ich würde sagen: »Aber
unsere
Eichhörnchen fühlen sich hier sehr wohl.« Eine Ablehnung würde ich nicht akzeptieren.
    VICTOR
»Tut mir leid, aber Ihre Referenzen haben einer Überprüfung nicht standgehalten.«
    ICH
»Aber unsere Referenzen
sind
die Eichhörnchen.«
    VICTOR
»Genau. Und die fühlen sich bei Ihnen eben nicht wohl. Außerdem sind Sie verschiedentlich durch Hetzreden aufgefallen.
    ICH
»Wie bitte?«
    VICTOR
»Vergangene Woche haben Sie bei Tisch die Gabel hingeworfen und ›Ihr Ratten‹ gebrüllt. Und als im Januar Ihr Computer streikte, meinten Sie, Sie würden sich von ihm keine Hörnchen aufsetzen lassen. Wir haben Beobachter vor Ort, wissen Sie.«
    ICH
»Moment, meinen Sie damit die Eichhörnchen, die bei mir unter dem Dach leben? Also die sind alle high und wissen nicht, was sie sagen. Das sind Junkies, denen man nicht trauen darf.«
    VICTOR
»Das war eben üble Nachrede, gnädige Frau. Der Rechtshilfeverein der Eichhörnchen wird Sie deshalbkontaktieren. Und sprechen Sie bitte nicht in diesem abschätzigen Ton über Eichhörnchen. Jetzt reißen Sie sich aber mal zusammen.«
    ICH
Wow, wir klingen … völlig ungeeignet zur Haltung von Eichhörnchen. Ich will diesen Typen gar nicht anrufen, weil ich Angst vor seiner Kritik habe. Wahrscheinlich würde ich schon beim Gespräch durchfallen.
    VICTOR
Und wir sollten uns vermutlich kein weiteres Eichhörnchen zulegen, solange in unserem Haus immer noch Horse konsumiert wird.
    ICH ?
    VICTOR
So sagt man auch für Heroin.
    ICH
Weiß ich doch, ich frage mich nur gerade, wie es kommt, dass ich mich hier gegen die imaginären Vorwürfe eines Mannes verteidige, der hier in der Gegend nackte Ratten an Kinder verschenkt und den nicht existierenden Junkies bei uns im Dach offenbar vertraut.
    VICTOR
Stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir solche Gespräche vor unserem Umzug aufs Land geführt hätten.
    ICH
Ich auch nicht. Außerdem merke ich gerade, dass ich im Schlafanzug zum Kaffeetrinken in der Tankstelle war. Das macht mich zu einer eindringlichen Warnung für andere. Ich weiß nicht, ob das ein Problem ist, oder ob ich mich hier einfacher wohler fühle als in der Stadt. Vielleicht beides?
    VICTOR
Keine Ahnung.
Was ist nur mit uns passiert?
    ICH
[nach kurzem Schweigen] Gewachsen?
    VICTOR
[nickt langsam]
Gewachsen.

UND DANN HABE ICH

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