Das ist nicht wahr, oder?
antwortete, was mich aber nicht überraschte, denn was soll man in einer solchen Situation antworten? Das ist doch genauso, wie wenn jemand sagt, er wäre mit einem Messer überfallen worden. Darauf gibt es auch keine leichte Antwort.Es sei denn, es ist gerade eben erst passiert. Dann schlage ich vor: »Beruhige dich erst mal und sage uns, wer der Mörder ist«, denn das spart den Leuten von der Kripo später eine Menge Zeit.
Als ich am Vormittag erfuhr, wir würden ein Weinseminar besuchen, kam ich mir vor wie auf einem Mädchenpensionat, für das mir alle Voraussetzungen fehlten. Geleitet wurde es von einer Autorin, die anscheinend viel in der TODAY SHOW aufgetreten war. Vor mir standen fünf volle Weingläser, aber unsere Lehrerin sagte, wir dürften sie erst trinken, wenn wir mit dem Unterricht fertig wären. Vermutlich geht es Hunden ähnlich, wen man ihnen einen Hundekuchen vor die Nase legt und sagt, sie dürften ihn nicht essen. Nur dass ich immer heimlich einen Schluck nahm, wenn die Lehrerin nicht hersah, weil ich als gehorsamer Hund lausig schlecht bin.
Wir verbrachten viel Zeit damit zu lernen, wie man den Wein im Glas schwenkt. Ich hatte das bisher immer für schlechten Stil gehalten, aber offenbar schmeckt der Wein besser, je mehr Sauerstoff man ihm zuführt, und beim Schwenken breitet er sich über das ganze Glas aus und kriegt mehr Luft. Die Frau, die rechts von mir saß, tat mir leid, denn ich bin beim Weinschwenken ziemlich übereifrig und sie bekam ein paar Mal etwas davon ab. Zum Glück nahm sie es ganz cool und leckte sich den überschüssigen Wein einfach vom Arm ab, was ich ökologisch und auch stilvoll fand. Unsere Lehrerin fand das offenbar nicht, und um sie abzulenken, fragte ich sie, warum man den Wein nicht gleich auf großen Tellern serviert und mit Strohhalmen aufsaugt. Sie lächelte ein wenig steif und sagte, diese Frage wäre ihr noch nie gestellt worden. Womit sie ziemlich sicher sagen wollte, dass sie mir diese geniale Idee klauen würde. Ich schrieb meine Telefonnummer auf eine Serviette und sagte, wenn sie in die Vermarktung der Weinteller einstieg, wollte icheine Provision. Sie erklärte sich ein verstanden, ging dann aber schnell. Wahrscheinlich sehe ich von diesem Geld nie etwas.
Fünf mit Tussis besetzte Vans fuhren zur Weinprobe,
nur vier kehrten zurück.
8
Beim zehnten Glas begann ich zu überlegen, ob mit meinem Gaumen etwas nicht stimmte. Die anderen trugen Bemerkungen wie »angenehmer Abgang, würzig« auf die Weinliste ein, während ich Bilder von Vampir-Pumas kritzelte. Als die Kritzeleien die ersten Blicke auf sich zogen, begann ich ebenfalls Bemerkungen neben die Weine zu schreiben, wie »Schmeckt nach Hustenbonbon, aber auf angenehme Art«, »Macht dich total fertig«, »Ich spüre meine Füße nicht mehr« oder »Habe ich die Garagentür offen gelassen? Ich wüsste gern, ob die Katze brennt. Wahrscheinlich sollte ich aufhören zu trinken.« Die anderen hatten alle professionelle Gaumen. Meiner brauchte eine Behandlung und womöglich einen Eingriff.
Der letzte Weinkeller sah total verwunschen aus und die Enten draußen erinnerten mich daran, auf der Hut vor hungrig aussehenden Pennern zu sein, aber ich wurde rasch abgelenkt, als der Käse serviert wurde. Zu meiner Nachbarin sagte ich, ich wäre sehr gespannt auf meine erste Käseprobe, weil ich so gerne Käse essen würde. Vor allem Cheddar, den mag ich in allen Geschmacksrichtungen, »scharf«, »sehr scharf«, »geräuchert und scharf«, also da bin ich eine Art Expertin. Aber als der Käse dann kam, kannte ich keinen einzigen und ES WAR ÜBERHAUPT KEIN CHEDDAR DABEI. Ich daraufhin sofort: »WAS IST DENN DAS FÜR EINE BESCHEUERTE KÄSEPLATTE?«, aber nur in Gedanken (oder vielleicht nur in Zimmerlautstärke, denn ich hatte einen Schwips, wollte aber trotzdem professionellwirken). Die Kellner erklärten, es würde sich um mehrfach preisgekrönte Käse handeln, und sie schmeckten auch wirklich köstlich, nur hatte ich ein Stück mit einem Pflaster drauf. Ich sagte also: »Auf meinem Käste klebt ein Pflaster«, und die Asiatin, die ich am Vortag gedisst hatte, beugte sich darüber und sagte: »Aber nein, das ein speziell eingewickelter Bla-bla-französisch-irgendwas-bla-bla«, und ich bedankte mich, aß aber nur das am weitesten vom Pflaster entfernte Ende für den Fall, dass sie sich wegen meiner unabsichtlich rassistischen Bemerkung doch noch an mir rächen wollte. Aber eine Stunde später, als wir uns auf der
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