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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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gewünscht, denn als sie von ihrer versehentlichen Sterilisation erfuhr, spürte sie, wie alles Licht aus ihr entwich.
    Auf diese Nachricht hin hatte sie ihr ganzes gehortetes Eizellengeld für Drogen verprasst und sich komplett aus der Wirklichkeit ausgeklinkt. Aber das Aufwachen neben allerlei Männern, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, verlor sehr bald seinen Reiz, zumal sie feststellte, dass diese Männer die Angewohnheit hatten, nebenbei auch noch ihr Kleingeld einzusacken. Nach dem vierten oder fünften Mal war ihr klar, dass sie eine Entscheidung treffen musste: Was wollte sie, leben oder sterben? War es
sterben
, konnte sie das auch schneller haben. War es
leben
, musste sie anders leben. Durch eines ihrer Abenteuer − eine gute Seele, zumindest für Sewage-Lagoon-Verhältnisse − fand sie einen Job in einem Plebsbandenbetrieb. Plebsbandenbetriebe fragten nicht nach Ausweisen oder Referenzen: Wer lange Finger machte, dem wurden sie einfach abgehackt.
    *
    Toby arbeitete jetzt also für eine Kette namens GeheimBurger. Das Geheimnis der GeheimBurger bestand darin, dass niemand wusste, welcherart tierische Eiweiße tatsächlich im Fleisch enthalten waren: Die Mädchen hinter der Theke trugen T-Shirts und Baseballkappen mit dem Slogan
GeheimBurger! Geheim und gut!
Die Firma zahlte absolute Niedrigstlöhne, aber man bekam zwei GeheimBurger pro Tag gratis. Als sie später zu den Gärtnern kam und die Vegelübde ablegte, verdrängte Toby die Erinnerung an den Verzehr dieser Burger; aber wie Adam Eins immer sagte, nichts kann das Gewissen so umstrukturieren wie der Hunger. Die Fleischwölfe waren nicht hundertprozentig effizient; ein Knäuel Katzenfell oder ein Stück Mäuseschwanz in seinem Burger zu finden war nichts Ungewöhnliches. Und war da nicht mal was mit einem menschlichen Fingernagel?
    Schon möglich. Die örtliche Plebsbande schmierte die CorpSeCorps-Männer, damit die ein Auge zudrückten. Im Gegenzug überließ das CorpSeCorps den Plebsbanden die Entführungen und Attentate auf unterem Niveau, den illegalen Skunkgrasanbau, die Crack-Labore und den Straßendrogenhandel und die Sexlokale, die ihr Grundinventar darstellten. Sie wickelten außerdem die Beseitigung von Leichen ab, indem sie erst die Transplantationsorgane entnahmen und anschließend die ausgenommenen Leichen durch die GeheimBurger-Fleischwölfe drehten. So gingen die übelsten Gerüchte. Zur Blütezeit der Firma wurden nur selten Tote auf leeren Grundstücken gefunden.
    Im Falle eines sogenannten Reality-TV-Enthüllungsberichts gab das CorpSeCorps vor, eine Investigation zu starten. Dann bekam der Fall den Vermerk »unlösbar« und wurde verworfen. Schließlich hatte man einen Ruf zu verteidigen unter den Bürgern, die noch immer die alten Ideale hochhielten: Verteidiger des Friedens und der öffentlichen Sicherheit, Ruhe auf den Straßen. Schon damals war es ein Witz, aber die meisten Menschen hatten das Gefühl, dass das CorpSeCorps immer noch besser war als die totale Anarchie. Sogar Toby hatte dieses Gefühl.
    Im Jahr zuvor war GeheimBurger zu weit gegangen. Das CorpSeCorps hatte die Kette dichtgemacht, nachdem sich einer seiner hohen Beamten in den Niederungen von Sewage Lagoon amüsiert hatte und später seine Schuhe an den Füßen eines Fleischwolfdrehers bei GeheimBurger entdeckt wurden. Die streunenden Katzen konnten also vorübergehend aufatmen. Aber wenige Monate später brutzelten die vertrauten Grillbuden wieder wie eh und je, denn wer konnte schon nein sagen bei einem Betrieb mit so niedrigen Beschaffungskosten?
     
    8.
     
    Toby freute sich, als sie erfuhr, dass sie bei GeheimBurger anfangen konnte: Sie würde ihre Miete zahlen können, sie würde nicht verhungern. Dann aber entdeckte sie den Haken.
    Der Haken war der Filialleiter. Sein Name war Blanco, aber hinter seinem Rücken wurde er von den Mädchen nur der blanke Wahn genannt. Rebecca, die mit Toby in derselben Schicht arbeitete, erzählte ihr sofort von ihm. »Komm ihm bloß nicht in die Quere«, sagte sie. »Vielleicht lässt er dich ja in Ruhe − gerade hat er sich diese Dora vorgenommen, und meist nimmt er sich immer nur eine auf einmal vor, und du bist ja ziemlich mager, er steht eher auf dicke Hintern. Aber wenn er dich in sein Büro ruft, pass bloß auf. Er ist rasend eifersüchtig. Er nimmt die Mädchen total auseinander.«
    »Hat er dich auch schon?«, fragte Toby. »In sein Büro gerufen?«
    »Bist du irre«, sagte Rebecca. »Ich bin viel zu

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