Das Jahr der Flut
schwarz und hässlich für ihn, außerdem steht er nur auf die Küken, nicht die alten Hennen. Leg dir am besten ein paar Falten zu, Süße. Schlag dir ein paar Zähne aus.«
»Du bist nicht hässlich«, sagte Toby. Rebecca war sogar ausgesprochen hübsch mit ihrer braunen Haut, den roten Haaren und der ägyptischen Nase.
»Das meine ich nicht mit hässlich«, sagte Rebecca. »Sich an mich ranzumachen kann hässliche Folgen haben. Ich bin schwarz und jüdisch noch dazu, mit mir legt man sich besser nicht an. Der weiß genau, dass ich ihm die Blackened Redfish auf den Hals hetze, und mit denen ist nicht zu spaßen. Dazu vielleicht noch die Wolf-Jesajaisten. Den Stress will keiner haben!«
Rückendeckung dieser Art hatte Toby nicht. Sie sah zu Boden, wenn Blanco in der Nähe war. Sie kannte seine Geschichte. Rebecca zufolge war er Türsteher im Scales gewesen, dem erlesensten Club in der Bucht. Türsteher genossen ein gewisses Ansehen; in schwarzem Anzug und dunkler Brille schlenderten sie durch den Laden, sahen gewandt, aber hart aus, und sie waren umschwärmt von Frauen. Aber Blanco habe die Sache in großem Stil vergeigt, sagte Rebecca. Er hatte ein Scales-Mädchen zerlegt − keinen Zeitarbeiter, keine von den eingeschmuggelten Illegalen, die wurden ja ständig zerlegt, sondern eines der Top-Talente, eine Stangentänzerin. So einen Kerl wollte keiner in seinem Laden haben − der sich nicht im Griff hatte und in die Arbeit reinpfuschte − also war er entlassen worden. Sein Glück, dass er Freunde beim CorpSeCorps hatte, sonst wäre er mit einigen Körperteilen weniger in irgendeinem Kohlenstoff-Boilermüllcontainer gelandet. Stattdessen hatten sie ihn in die GeheimBurger-Filiale von Sewage Lagoon gepflanzt. Es war ein Riesenabstieg, und er war verbittert − warum musste er wegen irgendeiner Nutte leiden? −, entsprechend hasste er den Job. Das einzige Gute daran waren die Mädchen. Er hatte zwei Kumpel, ehemalige Türsteher wie er selbst, die als seine Leibwächter auftraten und das bekamen, was er übrig ließ. Vorausgesetzt, er ließ etwas übrig.
Blanco hatte immer noch Türsteher-Gestalt − rechteckig und massig −, setzte aber allmählich Fett an − zu viel Bier, sagte Rebecca. Er trug noch immer den typischen Pferdeschwanz an seinem lichter werdenden Hinterkopf, und beide Arme waren komplett tätowiert: Schlangentattoos wanden sich um seine Arme, Bänder aus Totenschädeln um seine Handgelenke, Adern prangten auf seinen Handrücken, wodurch sie aussahen wie gehäutet. Um den Hals hatte er ein Kettentattoo mit einem roten Anhänger in Herzform, das sich in die Brusthaare im Ausschnitt seines offenen Hemdes schmiegte. Gerüchten zufolge zog sich das Kettentattoo über seinen ganzen Rücken und umschloss eine nackte Frau, deren Kopf in seinem Arsch verschwand.
Toby behielt Dora im Auge, die am Grill eintraf, wenn Tobys Schicht vorbei war. Sie hatte als füllige Optimistin begonnen, aber seit Wochen schrumpfte und welkte sie dahin; an ihren weißen Armen blühten und verblassten die Blutergüsse. »Sie will weglaufen«, flüsterte Rebecca, »aber sie hat Angst. Vielleicht solltest du auch lieber abhauen. Er guckt dich immer so an.«
»Schon okay«, sagte Toby. Aber sie fühlte sich nicht okay, sie hatte Angst. Nur wohin hätte sie gehen sollen? Sie lebte von der Hand in den Mund. Sie hatte kein Geld.
Am nächsten Morgen wurde Toby von Rebecca zu sich gewinkt. »Dora ist tot« sagte sie. »Wollte abhauen. Ich hab’s gerade erst gehört. Sie wurde auf einem leeren Grundstück gefunden, Genick gebrochen, total zerstückelt. Angeblich war’s irgendein Verrückter.«
»Aber er war’s, oder?«, fragte Toby.
»Wer sonst«, sagte Rebecca verächtlich. »Er gibt ja sogar damit an.«
Am Mittag desselben Tages bestellte Blanco Toby in sein Büro. Seine beiden Kumpel überbrachten die Nachricht. Sie nahmen sie in ihre Mitte, damit sie nicht auf dumme Gedanken kam. Auf der Straße drehten sich die Leute nach ihnen um. Toby hatte das Gefühl, zu ihrer eigenen Hinrichtung zu gehen. Warum hatte sie nicht aufgehört, solange sie noch die Chance hatte?
Durch eine schmierige Tür hinter einem Boilermüllcontainer ging es ins Büro. Es war ein kleiner Raum mit Schreibtisch, Aktenschrank, abgewetzter Ledercouch. Blanco wuchtete sich aus seinem Drehstuhl und grinste.
»Pass auf, du dürre Nutte, du wirst von mir befördert«, sagte er. »Bedank dich bei mir.«
Toby konnte nur flüstern: Sie fühlte sich wie
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