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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Baden aufs Dach geht, sogar auf die Toilette. Sogar in den Garten − vor allem in den Garten. Schweine sind schlau, sie werden sie im Hinterkopf behalten, sie werden ihr nicht vergeben. Sollte sie jedes Mal, wenn sie ins Freie geht, die Tür abschließen? Aber was wäre, wenn sie ganz schnell wieder zurück ins Gebäude müsste? Aber wenn sie die Tür unabgeschlossen lässt, könnte jemand oder etwas sich Zugang verschaffen, während sie im Garten arbeitet, und ihr auflauern.
    Sie wird an jeden Winkel denken müssen.
Ein Ararat ohne die Mauer ist kein Ararat auf Dauer,
sagten die Gärtnerkinder im Chor.
Eine Mauer ohne Schutz bröckelt und zerfällt zu Schmutz.
Die Gärtner liebten ihre Lehrreime.
     
    5.
     
    Wenige Tage nach den ersten Ausbrüchen machte sich Toby auf die Suche nach dem Gewehr. Es war an dem Abend, nachdem die Mädchen ihre rosa Kittel abgelegt hatten und aus dem AnuYu geflüchtet waren.
    Das hier war keine gewöhnliche Pandemie: Man würde sie nicht nach ein paar hunderttausend Todesfällen eingedämmt und mit Biotech und Bleiche aus der Welt geschafft haben. Dies war die wasserlose Flut, vor der die Gärtner so oft gewarnt hatten. Alles sprach dafür: Sie reiste durch die Lüfte wie auf Flügeln, sie brannte sich durch die Städte wie ein Feuer, verseuchte den Pöbel, brachte Terror und Gemetzel. Überall gingen die Lichter aus, Nachrichten kamen nur noch sporadisch: Sämtliche Systeme brachen mit dem Tod ihrer Betreiber zusammen. Es sah alles nach Totalzusammenbruch aus, und deshalb brauchte sie das Gewehr. Gewehre waren gesetzeswidrig, und während es vor einer Woche noch fatale Folgen gehabt hätte, mit einem erwischt zu werden, waren solche Gesetze jetzt nicht mehr von Belang.
    Der Ausflug würde riskant sein. Sie würde zu Fuß − es fuhren ja keine öffentlichen Verkehrsmittel − in ihr altes Plebsviertel gehen und das armselige kleine Terrassenhaus wiederfinden müssen, das für kurze Zeit ihren Eltern gehört hatte. Dann würde sie das Gewehr ausgraben müssen, in der Hoffnung, dabei unbeobachtet zu bleiben.
    Der weite Fußmarsch war nicht das Problem: Sie hatte sich fit gehalten. Die Gefahr ging eher von anderen Menschen aus. Überall wurde geplündert, zumindest der stockenden Berichterstattung nach zu urteilen, die sie übers Telefon empfing.
    In der Dämmerung verließ sie das Spa und schloss hinter sich das Tor. Sie überquerte die breite Rasenfläche und folgte dem Waldweg, wo die Gäste früher ihre schattigen Spaziergänge unternahmen, zum Nordeingang: Dort war sie weniger leicht zu sehen.
    Ein paar letzte Lämpchen säumten den Pfad. Niemand kam ihr entgegen, nur ein grünes Kaninchen verschwand hoppelnd im Gebüsch, und ein Luchskätzchen huschte vor ihr über den Weg, wandte sich um und starrte sie mit funkelnden Augen an.
    Das Eingangstor stand offen. Vorsichtig schlüpfte sie hindurch. Dann lief sie quer durch den Heritage Park. Leute eilten an ihr vorbei, einzeln und in Gruppen, um die Stadt zu verlassen, und in der Hoffnung, sich durch das wuchernde Plebsland schlagen und draußen auf dem Land Schutz suchen zu können. Ein Husten, ein weinendes Kind. Fast wäre sie über jemanden am Boden gestolpert.
    Als sie den äußersten Rand des Parks erreichte, war es stockfinster. Sie bewegte sich von Baum zu Baum an der Umgrenzung entlang, immer im Schatten der Bäume. Der Boulevard war mit Autos, Lieferwagen, Solarbikes und Bussen verstopft, und die Fahrer hupten und brüllten. Einige der Fahrzeuge hatten sich überschlagen und brannten. Das Plündern war schon in vollem Gange. CorpSeCorps-Männer waren nirgends zu sehen. Die hatten bestimmt als Erste das Weite gesucht, hatten sich in die geschlossenen Konzern-Festungen geflüchtet, um ihre Haut zu retten, während sie − so hoffte Toby jedenfalls − den tödlichen Virus schon in sich trugen.
    Irgendwo fielen Schüsse. Es waren also auch schon andere Gärten umgegraben worden, dachte Toby: Ihr Gewehr war nicht das einzige.
    Ein Stück die Straße hinauf waren Barrikaden aus zusammengeschobenen Autos aufgebaut. Da standen die Verteidiger, bewaffnet mit, ja, mit was eigentlich? Metallrohren, soweit Toby erkennen konnte. Die Menge brüllte sie wütend an, bewarf sie mit Ziegel-und Pflastersteinen: Sie wollten vorbei, der Stadt entfliehen. Was wollten die Leute auf den Barrikaden? Beute, mit Sicherheit. Geraubten Sex und Geld und andere sinnlose Dinge.
    Wenn die wasserlosen Wasser steigen, sagte Adam Eins damals, werden die Leute

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