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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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öffentlichen Parks begraben? Nee«, sagte Zeb. »Während meiner Zeit sind noch keine Evas gestorben. Aber irgendwann ist ja immer das erste Mal.«
    »Wie gefährlich ist es?«
    »Das wird sich herausstellen«, sagte Zeb. »Wir könnten sie natürlich auch auf einem leeren Grundstück deponieren, aber dann wird sie am Ende noch geplündert und zum GeheimBurger verarbeitet. Tierische Eiweiße werden immer teurer. Oder sie wird an die Boilermüllfraktion verkauft, die nehmen ja bekanntlich alles. Das wollen wir ihr ersparen: Öl war der alten Pilar verhasst; es war gegen ihren Glauben.«
    »Gegen deinen nicht?«, fragte Toby.
    Zeb lachte in sich hinein. »Die theologischen Feinheiten möchte ich lieber Adam Eins überlassen. Ich benutze nur, was ich muss, um da hinzukommen, wo ich hin will. Komm, lass uns schnell zu Happicuppa einen Kaffee trinken.« Er bog in einen der Passagenparkplätze.
    »Wir zu Happicuppa?«, fragte Toby. »Genveränderter und pestizidverseuchter Sonnenkaffee? Tötet die Vögel, treibt die Bauern in den Ruin − wissen wir doch alle.«
    »Wir sind inkognito«, sagte Zeb. »Wenn schon Theater, dann richtig!« Er zwinkerte ihr zu, beugte sich über sie und öffnete ihr die Beifahrertür. »Jetzt mach dich mal locker. Ich wette, früher hast du auch nichts anbrennen lassen, bevor dich die Gärtner holten.«
    Früher, denkt Toby. Das fasst die Sache in etwa zusammen. Dennoch freute sie sich: Es war ihr erstes genderbelastetes Kompliment seit langem.
    Ein Besuch bei Happicuppa war Bestandteil jener allzu knappen Mittagspausen gewesen, damals in ihrer GeheimBurger-Zeit; es schien eine Ewigkeit her, seit sie das Zeug zum letzten Mal getrunken hatte. Sie bestellte einen Happicappuchino. Sie hatte ganz vergessen, wie köstlich er schmeckte. Sie trank ihn Schluck für Schluck: Es konnte Jahre dauern, bis sie wieder einmal in den Genuss kam, wenn überhaupt.
    »Wir sollten los«, sagte Zeb, noch bevor sie ausgetrunken hatte. »Wir hätten da noch ’ne Grube zu graben. Setz deine Kappe auf und stopf dir die Haare drunter, so machen’s die Parkwächterinnen.«
    »He, Parkschlampe«, sagte eine Stimme hinter ihr. »Lass mal deinen Busch sehen!« Toby wagte es nicht, sich umzudrehen. Aber Blanco war ja angeblich wieder im Painball, hatte Adam Eins gesagt − zumindest ging so das Gerücht.
    Zeb spürte ihre Angst. »Wenn dir einer dumm kommt, hau ich ihm die Hacke übern Kopf«, sagte er.
    Zurück im Lastwagen, pflügten sie durch die Plebsstraßen, bis sie den Nordeingang des Heritage Parks erreichten. Zeb winkte mit seinem gefälschten Ausweis, und die Pförtner ließen sie durch. Der Park war offiziell nur für Fußgänger, ihr Fahrzeug war das einzige weit und breit.
    Zeb fuhr im Schritttempo, vorbei an Plebslerfamilien, die an den Picknicktischen saßen und üppige Grillpartys feierten. Plebsrattengruppen tranken und pöbelten. Ein Stein prallte vom Lastwagen ab: Die Heritage-Park-Arbeiter waren unbewaffnet, und das wussten die Plebsratten. Es habe Massenangriffe und sogar Todesfälle gegeben, erzählte Zeb. Zwei, drei Bäume, und schon glaubten die Leute sich gehen lassen zu können. »Keine Natur ohne Arschlöcher«, sagte er munter.
    Sie fanden eine gute Stelle − ein Stück sonnige Wiese, wo der Holunderstrauch genug Licht bekäme und wo sie beim Graben nicht auf allzu viele Baumwurzeln stoßen würden. Zeb machte sich mit der Hacke zu schaffen, um die Erde zu lockern; Toby schaufelte. Sie hatten ein Schild aufgestellt: Pflanzung mit freundlicher Genehmigung von HelthWyzer. »Wenn dich einer fragt, ich hab die Genehmigung«, sagte Zeb. »Hier in meiner Tasche. War nicht mal teuer.«
    Als die Grube tief genug war, packten sie zusammen und ließen das Schild stehen.
    *
    Am selben Nachmittag fand Pilars Kompostierung statt. Pilar reiste im Lastwagen in einem Jutesack mit der Aufschrift MULCH an die ausgesuchte Stelle, zusammen mit dem Holunder und einem 5-Gallonen-Wassertank. Nuala und Adam Eins marschierten mit dem Blütenblätter-Chor durch den Park und zogen direkt an der Grabstätte vorbei, so dass sich die Blicke eher auf sie richten würden als auf Zeb und Toby beim Pflanzen. Sie sangen aus voller Kehle das Maulwurfslied. Als sie zur letzten Strophe kamen, fingen Shackleton und Crozier in ihren PlebsrattenT-Shirt-Verkleidungen an, sie vom Wegrand her anzupöbeln. Als Crozier mit einer Flasche nach ihnen warf, schrien die Blütenblättler auf und flüchteten den Weg hinunter. Die Plebsler

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