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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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oder ihre Mutter in Bayern. Er solle sich nicht zu viele Sorgen machen, seiner Frau gehe es bestimmt gut.
    In diesem Moment rannte Shadow bellend aus dem Haus. Jan stockte der Atem. Laura? Es konnte nur Laura sein, der der Hund so freudig entgegenrannte. Er lief ihm hinterher.
    »Laura?«
    Der Hund raste zum Wasser, wo er bellend stehen blieb. Was hatte er am Wasser zu suchen? Hatte er sie gefunden? War sie etwa dort angeschwemmt worden? Voller Angst lief Jan hinter dem Hund her.
    »Bitte, lieber Gott, lass sie nicht tot sein.«
    Schon von Weitem erkannte er, dass da jemand reglos am Ufer lag. Das Herz krampfte sich in ihm zusammen.
    »Laura, nein!«
    Er strauchelte, wurde aber von Marius gestützt. Sie liefen weiter zu der leblosen Gestalt, die der Hund vorsichtig anstupste. Es war nicht Laura. Neben dem Steg lag Hanno. War er tot? Jan war schon bei ihm.
    »Hanno. Was ist passiert?«
    Er konnte das Murmeln des alten Mannes kaum verstehen. Ganz nah ging er mit seinem Ohr zu dessen Mund.
    »Elke… Laura… Sie tut es wieder… Moor.«
    »Was soll das heißen? Ich versteh dich nicht. Hat Elke Laura gefunden? Wo sind sie? Hanno, sag es. Hanno!«
    »Im Moor… Sie bringt sie ins Moor… wie… Julia.«
    Sein Kopf fiel zur Seite. Marius suchte nach seinem Puls, legte seinen Kopf auf Hannos Brust. Schlug sein Herz noch?
    »Ruf den Notarzt.«
    Jan rannte zum Haus und telefonierte mit der Rettungsstelle.
    »In zehn Minuten sind sie da. Wird er so lange durchhalten?«
    Marius hatte inzwischen erkannt, dass Hanno mit einem Mittel, das die Muskeln lähmte, außer Gefecht gesetzt worden war. Er fragte sich, wie der Mann hierher ans Seeufer gekommen war. Er war klatschnass. War er geschwommen? Das hätte er eigentlich nicht gekonnt. Niemand konnte mit gelähmten Muskeln…
    »Sie wird sie töten… ihr müsst… das Moor…«
    »Sie sind im Moor? In welchem Moor, Hanno? Versuch es mir zu sagen. Hanno!«
    »Da… wo die Kraniche… die Geisterkraniche… da…«
    Jan wusste sofort, welches Moor Hanno meinte. Das, in das sich Shadow vor Kurzem verirrt hatte, als er das Wildschwein gejagt hatte.
    »Wieso will sie sie töten, Hanno? Das ergibt doch keinen Sinn. Sie hat überhaupt keinen Grund, Laura umzubringen.«
    Er überließ Hanno Marius ’ Fürsorge und raste los.
    »Sag der Polizei Bescheid. Sag denen, was Hanno gesagt hat.«
    Marius nickte. Er würde die Polizei rufen. Um sie seiner Frau auf den Hals zu hetzen. Er würde seine Frau der Polizei ausliefern.
    »Wie Julia«, hatte Hanno gesagt. Sie würde Laura töten wie Julia?
    Es wurde einen Augenblick lang schwarz um ihn herum.
    »Hanno… was hast du damit gemeint: wie Julia? Julia ist nicht tot. Sie lebt seit zehn Jahren in…«
    Hanno schüttelte mühsam den Kopf.
    »Sie hat es gewusst.«
    »Was hat sie gewusst? Hanno! Was hat Laura gewusst?«
    Hanno schloss die Augen. Und Marius verstand.
    Laura hatte gewusst, dass er sie mit Julia betrog. Aber wenn sie es gewusst hatte, wieso hatte sie nichts gesagt, ihn nicht zur Rede gestellt? Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. Elke konnte Julia nicht getötet haben.
    Er wusste tief in seinem Inneren, dass es stimmte. Es war so einfach: Elke hatte nicht gewollt, dass Marius sie wegen Julia verließ. Sie hatte nur einen Weg gesehen, das zu verhindern: Julia musste sterben. Marius hatte das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Deswegen war Julia nicht in Sassnitz gewesen, am Pier der Ostseefähre nach Trelleborg. Deswegen hatte er sie nicht auf ihrem Handy erreichen können. Einen Tag lang war er im Hafen von Sassnitz auf und ab gegangen. Bei jedem Schritt hatte er aufgeschaut und enttäuscht den Blick wieder weggewandt, als er erkannte, dass sie es wieder nicht war. Sie hat gekniffen, hatte er damals gedacht. Sie hat es nie ernst mit mir gemeint. Es war nur ein Spiel gewesen zwischen ihnen. Ein sehr leidenschaftliches zwar, aber am Ende doch nur ein Spiel. Er war gekränkt gewesen, enttäuscht bis in die tiefste Seele. Er war bereit gewesen, ihr sein ganzes Leben zu Füßen zu legen, und sie hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als sich aus dem Staub zu machen. Ohne ein Lebenszeichen für ihn, ohne eine Erklärung. Sie war einfach wie vom Erdboden verschwunden. Sie hatte sich über ihn und über seine Liebe zu ihr lustig gemacht. Seine Zukunft war in sich zusammengebrochen. Und er war einfach zu seiner Frau zurückgekehrt, hatte all die Jahre neben ihr gelebt, als wäre nichts geschehen. Er hatte sich vorgemacht, dass er

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