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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Ihr Rufen wurde leiser. Jetzt wurde sie von blendendem Sonnenlicht übergossen, ihr dunkles Haar erstrahlte in magischem Glanz.
    Laura spürte, wie Jan ihre Hand losließ.
    »Es tut mir leid.«
    Er sah sie nicht an, als er das sagte. Und dann rannte er los. Mit wenigen Sätzen ließ er das Moor hinter sich. Schon hatte er die Blütenwiese erreicht.
    »Jan. Bleib bei mir, Jan. Verlass mich nicht! Ich kann ohne dich nicht leben.«
    Lauras Stimme brach vor Verzweiflung. Sie wollte ihm nachrennen, doch das Moor ließ sie nicht los. Zur Bewegungslosigkeit verdammt musste sie mit ansehen, wie Jan die Frau in dem roten Kleid erreichte. Der Hund rannte ihm entgegen, sprang an ihm hoch. Jetzt drehte sich die Frau zu ihm um.
    »Da bist du ja, mein Liebster. Komm.«
    Sie lachte und küsste ihn. Laura brach es das Herz. Sie hatte Jan verloren.
    »Er gehört mir, Laura. Hörst du das? Du wirst ihn nie bekommen.«
    Das Lachen der Frau brandete durch den Wald. Es füllte das Moor aus, zugleich warf es Laura um wie ein heftiger Sturmstoß. Sie hatte Jan verloren, wollte nicht mehr leben. Da war die Frau über ihr, ihr Haar fiel bis auf Lauras Gesicht. Ganz dicht war sie nun da. Ihre Augen glühten wie flüssiger Stahl. Aber was war mit ihrem Gesicht? Es war weiß, leichenblass: das Gesicht einer Toten.
    Laura schreckte im Bett hoch. Mühsam versuchte sie ihren Atem zu beruhigen. Sie legte die Hand auf die Brust, atmete ganz bewusst ein und aus.
    Es war nur ein Traum. Ein beschissener, blöder Traum. Ich denk nicht dran, mich davon beeindrucken zu lassen. Hörst du das, Julia? Du kriegst mich nicht klein.
    Sie verwünschte die Frau, die sie nicht kannte und die sich so unverfroren in ihre Träume drängte. Und sie schalt sich blöde, weil sie es dieser Frau überhaupt gestattet hatte, sich so weit in ihrem Unterbewussten festzusetzen, dass sie jetzt auch schon von ihr träumte.
    »Kannst du nicht schlafen?« Jan griff nach ihr und zog sie zu sich heran. »Das kommt davon, wenn man so spät so opulent isst.«
    Sie lachte leise an seiner Brust.
    »Das kommt wohl eher davon, wenn man so anstrengende Gespräche beim Essen führt.«
    »Dann sollten wir in Zukunft einfach weniger anstrengende Gäste einladen.«
    Sie wollte einwenden, dass sie Michael Persius eigentlich sehr nett gefunden hatte, sagte aber lieber nichts. Jetzt, mitten in der Nacht, hatte sie keine Lust mehr, über den Unsinn zu reden, den er von sich gegeben hatte.
    »Du glaubst doch nicht, was er gesagt hat?«
    Jan wollte also doch reden. Nachdem sie vorher stumm zu Bett gegangen und zum ersten Mal nicht eng umschlungen eingeschlafen waren, war er jetzt anscheinend so weit, über diesen seltsamen Abend zu sprechen. Laura machte Licht, nahm sich einen Schal und legte ihn sich um die Schultern. Okay, dann eben jetzt.
    »Es gab keine unglücklichen Frauen in diesem Haus. Mein Vater und meine Mutter führten eine sehr harmonische Ehe. Ich habe keine Ahnung, wieso dieser Kerl behauptet, dass das nicht so gewesen sein soll.«
    »Weißt du, eigentlich ist mir das auch egal. Ich kannte deine Eltern nicht und habe keine Ahnung, ob sie glücklich waren. Aber selbst wenn sie es nicht gewesen sein sollten, dann hätte das nichts mit uns zu tun.«
    Höchstens, dass Julia hier wohl auch nicht glücklich war, das könnte was mit uns zu tun haben. Weil du davon betroffen warst.
    » Sie waren nicht unglücklich, Laura!«
    Seine Stimme war hart und kühl. Als wollte er keine Widerrede dulden.
    »Und Julia?«
    Sie musste das einfach fragen. Auch wenn er sicher nicht darüber reden wollte. Würde er jetzt auch behaupten, dass Julia hier glücklich gewesen war?
    »Julia… Julia war hier wahrscheinlich wirklich nicht glücklich. Aber… ich denke, das war sie auch schon vorher nicht. Wir… hatten uns einfach etwas vorgemacht.«
    »Wieso habt ihr euch getrennt?«
    Er stand auf. Würde er wieder weglaufen wie das letzte Mal, als sie ihn auf Julia angesprochen hatte? Doch Jan öffnete nur das Fenster. Er atmete tief ein und drehte sich dann zu ihr um.
    »Wir haben nicht zueinander gepasst. So etwas kommt vor. Und als sie das gemerkt hat, ist sie gegangen.«
    Sie ist gegangen? Hatte er das letzte Mal nicht behauptet, dass sie sich getrennt hatten? Es hatte so geklungen, als wäre das in beiderseitigem Einverständnis geschehen. Jetzt aber hörte sich das so an, als hätte sie ihn verlassen.
    »Auf jeden Fall hat das aber nichts mit dem Haus zu tun. Es war ihr nicht zu düster. Sie hat auch nicht

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