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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ausgehalten.«
    Sie wollte das nicht hören. Sie hatte nichts zu tun mit Irina. Oder mit Julia. Sie war Laura, und sie lebte ihr eigenes Leben. Das Leben der anderen Frauen, die hier gewohnt hatten– seien sie nun glücklich oder unglücklich gewesen–, hatte mit ihr nichts zu tun.
    »Vielleicht ist es besser, wenn ich jetzt gehe.«
    Persius sah sie fragend an. Hoffte er, dass sie ihn bat zu bleiben, wo es ihm doch gerade gelungen war, diesen harmonischen Abend, den sie erlebt hatte, zu zerstören? Sie nickte stumm.
    »Ich danke Ihnen für den Abend und das wunderbare Essen, Laura. Ich wünsche Ihnen alles Gute.« Er nahm tatsächlich ihre Hand, und er hielt sie länger fest, als es nötig gewesen wäre. In seinem Blick lag ein tiefes Bedauern. »Passen Sie auf sich auf.«
    Er ließ ihre Hand los und ging aus der Küche. Einen Moment später hörte sie die Haustür ins Schloss fallen.
    Was für ein Idiot. Wie kommt er dazu, mir solche Sachen zu sagen? Hat der sie nicht alle?
    Ihre Hände zitterten, als sie die Espressotassen auf den Steg brachte, wo die anderen es sich in den Sesseln gemütlich gemacht hatten.
    »Herr Persius lässt sich entschuldigen. Er… es ging ihm plötzlich nicht gut. Ich soll euch schöne Grüße sagen.«
    Jan nickte, als sie ihm die Tasse gab.
    »Interessanter Mann. Und ein hervorragender Fotograf.«
    Sie vermieden es, über das zu reden, was gerade geschehen war, und bemühten sich stattdessen, heiter und locker über alltägliche Themen zu plaudern. Doch die Stimmung war verdorben. Kurz nachdem sie den Kaffee ausgetrunken hatten, verabschiedeten sich auch Marius und Elke. Jan und Laura blieben zurück. Sie saßen noch eine Weile am Wasser, jeder in seine Gedanken versunken. Als sie bald darauf zu Bett gingen, schliefen sie zum ersten Mal, seit sie in diesem Haus angekommen waren, nicht miteinander.
    War er denn von allen guten Geistern verlassen? Wie kam er dazu, so einen netten Abend mit seinen blödsinnigen Vermutungen zu sprengen? Michael Persius saß auf der Terrasse des kleinen Ferienhauses, das er sich für die Zeit, die er hier war, gemietet hatte. Der Bordeaux, den er sich immer mitbrachte, weil er festgestellt hatte, dass das Weinsortiment in den Läden hier seinem Geschmack immer noch nicht entsprach, schmeckte schal. Er wusste nicht, wodurch er sich zu seinen unangemessenen Äußerungen hatte provozieren lassen. Sie waren doch alle nett. Laura sowieso, aber auch ihr Mann. Und diese beiden Freunde– reizende, unkomplizierte Leute, mit denen man interessante Gespräche führen konnte. Er hatte sich wohl gefühlt unter ihnen. Es hatte ihm gefallen in diesem Haus, das so anders war als das Haus, das er in Erinnerung gehabt hatte. Was hatte ihn gereizt, Jan derart zu provozieren? Er bedauerte es, dass es so gekommen war. Aber tat er das wirklich von Herzen? Er bedauerte, dass er Laura den Abend verdorben hatte, ja. Sie hatte so beschwingt gewirkt, als sie ihm die Tür geöffnet hatte, so selig, als sie ihn in ihrem Haus herumgeführt hatte, geradezu euphorisch, als er sie zu den Veränderungen beglückwünschte, die sie in dem Haus vorgenommen hatte. Konnte es tatsächlich sein, dass sie nicht spürte, dass unter all dem Neuen, unter der hellen Farbe, unter der fröhlichen Dekoration die Düsternis des Hauses nicht ganz verschwunden war? War sie wirklich so naiv zu glauben, dass ein neuer Anstrich reichte, um die Trauer und die Hoffnungslosigkeit, die das Haus noch immer erfüllten, zu verdrängen?
    Was aber, wenn er sich das alles nur einbildete, nur weil er sich dereinst in Irina verliebt hatte? Wenn er sich lediglich gewünscht hatte, dass sie unglücklich war, weil er dann hätte hoffen können, dass sie bereit gewesen wäre, sich auf ihn einzulassen? Es war zwischen ihnen doch nicht mehr gewesen als diese paar Begegnungen und die intensiven Gespräche, die sie über das Leben geführt hatten. Wie es war, wie es sein konnte, wie man es sich vorgestellt hatte und wie es sich schließlich entwickelte. War Irina wirklich so verzweifelt gewesen, wie er es angenommen hatte? Hatte in ihrem Blick tatsächlich diese unausgesprochene Bitte gelegen, sie zu retten? Vielleicht hatte ihn seine Verliebtheit damals auch nur geblendet. Aber wieso hatte sie sich dann totgefahren, sich und den Mann, mit dem sie lebte? Wenn er sich einer Sache sicher war, dann dessen, dass es kein Unfall war, bei dem Irina Plathe und ihr Mann ums Leben gekommen waren, sondern Selbstmord. Sie hatte keinen anderen

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