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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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aus ihrer Dunkelheit zeigen sollte?
    Lauras Magen zog sich krampfhaft zusammen. Sie fühlte, dass sie sich übergeben musste, und rannte durch die Halle zur Toilette, wo sie in einem Schwall ihr Mittagessen von sich gab. Sie konnte nichts gegen die weiteren Kontraktionen ihres Magens tun und erbrach sich, bis sie nur noch bittere Galle spuckte. Zitternd und erschöpft sank sie neben der Kloschüssel zu Boden.
    »Laura? Hallo! Jemand zu Hause?«
    Nicht Elke, bitte nicht jetzt! Lauras Glieder fühlten sich an wie Blei, matt und völlig zerschlagen. Sie konnte jetzt nicht mit Elke reden. Sie wollte nur ins Bett und schlafen.
    »Hier bist du. Um Gottes willen, was ist denn mit dir? Du siehst ja aus wie der Tod.«
    Elke kniete schon bei ihr und sah sie besorgt an.
    »Was ist denn los mit dir?«
    Das Rot ihres Sommerkleids brannte Laura in den Augen.
    »Ich muss wohl was Falsches gegessen haben. Mir war plötzlich dermaßen schlecht.«
    Sie erhob sich mühsam. Als sie schwankte, schlang Elke ihren Arm um sie.
    »Komm, leg dich aufs Sofa. Ich mach dir einen Tee.«
    »Bist du gerade schon mal im Haus gewesen?«
    Elke sah sie erst verblüfft an, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Ich wollte meinen Vater besuchen, aber er ist nicht zu Hause. Da hab ich gehofft, dass ich vielleicht bei dir einen Kaffee bekommen könnte.«
    Komisch, wieso weiß sie nicht, dass Hanno mit Jan nach Rostock gefahren ist? Sie wollten in einer Baumschule nach Ersatz für die Bäume suchen, die im letzten Winter dem Schneebruch zum Opfer gefallen waren.
    »Dein Kleid ist hübsch. Steht dir hervorragend.«
    Elke sah an sich hinunter. Lächelte.
    »Ja, das finde ich auch. Marius meint zwar, es sei zu auffällig für mich, aber das ist mir egal. Marius ist in diesen Dingen etwas konservativ. Ganz im Gegensatz zu Jan übrigens: Der mochte es schon immer, wenn ich was Rotes anhatte. Er hat mir sogar mal einen knallroten Sari aus Indien mitgebracht. Er fand, dass ich darin aussah wie eine Prinzessin.«
    Sie plauderte leicht dahin, während sie Tee machte und Laura damit versorgte.
    »Jetzt trink das, dann geht ’ s dir gleich wieder besser. Das ist eine Mischung aus Salbei und Thymian, sehr magenberuhigend.«
    Sie setzte sich in den breiten Sessel, der dem Sofa gegenüberstand, und beobachtete Laura, wie sie den Tee trank.
    »Hast du keine Decke? Du solltest dich zudecken.«
    Laura griff nach der bunten Blümchendecke, die sie über die Lehne des Sofas drapiert hatte. Die Decke war nicht da. Sie setzte sich auf. War die Decke heruntergerutscht? Doch auf dem Boden lag sie auch nicht.
    »Was suchst du?«
    »Die Decke. Du hast sie doch gesehen. Die mit den kleinen Blumen. Sie liegt immer hier auf der…«
    Elke sah sich im Zimmer nach der Decke um. Doch auch sie konnte sie nicht finden.
    »Vielleicht hast du sie mit nach draußen genommen. Oder…«
    Laura wusste ganz genau, dass sie das nicht getan hatte. Auf den Terrassenstühlen gab es Extra-Kissen und Decken. Sie fing wieder an zu zittern. Krampfhaft umschlang sie ihre Beine. Sie wollte nicht, dass Elke sah, wie elend sie sich fühlte.
    »Wahrscheinlich hab ich sie mit ins Schlafzimmer genommen.«
    Sie sagte, dass sie sich jetzt einfach gern ins Bett legen und ein bisschen schlafen würde. Elke stand sofort auf, um sie nach oben zu bringen.
    »Danke, das ist lieb. Aber so schlecht geht ’ s mir auch nicht. Ich schlaf jetzt ein bisschen, und dann ist alles wieder okay.«
    Als sie aufstand, nahm sie all ihre Kraft zusammen, um gegen den Schwindel anzukämpfen, der sie befiel.
    »Du bist sicher, dass ich nicht bei dir bleiben soll? Ich könnte Jan anrufen und ihm sagen, dass er…«
    »Quatsch. Mit ist nur ein bisschen übel. Bis er zurück ist, bin ich längst wieder auf dem Damm. Danke, dass du mir Tee gemacht hast. Es geht mir schon wieder besser.«
    »Okay, dann geh ich mal. Aber wenn es doch nicht besser wird…«
    »…dann ruf ich Marius an. Ich verspreche es.«
    »Ich wollte eigentlich sagen, dann musst du mich anrufen. Ich bin in zehn Minuten bei dir.« Sie nahm Laura in die Arme. »Wozu hat man denn eine Freundin, wenn nicht für so was?«
    Sie brachte Laura zur Treppe und blieb unten stehen, bis die Freundin oben angekommen war. Danach räumte sie die Teetasse in die Spülmaschine. Laura tat ihr leid. Sie hatte so verzweifelt ausgesehen, wie sie da neben dem Klo gekauert hatte. Wie ein kleines verlassenes Kätzchen. Geradezu jämmerlich.
    Laura hüllte sich in die Bettdecke. Sie zog die Knie an und

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