Das Jahr der Maus
unter die Doping-Gesetze fällt, verschweige ich Namen und Anlässe.
Aber ungeachtet von sportlichen Siegen: Es befriedigt mich zutiefst, in der Praxis festzustellen, wie durch Kombination von menschlichem Erbgut mit den unverbrauchten Strukturgenen hochentwickelter Menschenaffen eine erfolgreiche, kräftige, körperlich gewandte, vernünftige und zukunftsversprechende Spezies neu erschaffen wurde.
Hohes Gericht, meine Damen und Herren Geschworenen, ich komme zum Ende und wage eine Konklusion:
Die Tage des homo sapiens sapiens sind gezählt.
Unsere Menschheit, unsere Kultur, unsere technische Zivilisation wird das gerade anbrechende dritte Jahrtausend wohl kaum überleben. Ich sehe dies als ein unabänderliches Faktum! Die Gründe sind vielfältig und sowohl psychologischer, ökonomischer wie ökologischer Art.
Tausende von Versuchen hat die Evolution unternommen, um intelligente Wesen zu erzeugen, die in der Lage sind, sich selbst auszurotten, die ökologische Nische durch Mißbrauch der Ressourcen zu schließen, die das Entstehen dieser Art erst ermöglicht hat.
Wir waren die Gewinner! Wir werden die Verlierer sein.
Aber auch genetisch gesehen sind wir verbraucht!
Der Stammbaum der Hominiden ist vielfältig. Zahllose Äste endeten im nirgendwo, ohne Zukunft, ohne weitere Entwicklungschancen auf Grund fehlender Anpassung an veränderte Umweltbedingungen, jedoch nicht ohne Sinn und Konsequenz:
Wie sagte ich doch bereits zu Beginn: Wir sind die Neandertaler von morgen.
Als der altsteinzeitliche Cro-Magnon-Mann auf der Szene erschien, war der Neandertaler am Ende.
Durch Vermischung der Erbanlagen bei der Begattung von überlebenden Neandertal-Weibern tragen wir jedoch einen Teil deren Erbguts immer noch in unseren Genen. Nichts geht also verloren.
Auch ein Teil unseres eigenen Genoms wird uns überleben und in einer neuen, robusteren, überlebensfähigeren Spezies für die nächsten Jahrtausende wirksam sein.
Ich darf mich outen, auf die Gefahr hin, daß Ihre Entscheidungsfindung und Ihr Schiedsspruch dadurch negativ beeinflußt werden:
Dieses den Schimpansen eingepflanzte Gen-für-die-menschliche-Vernunft stammt von mir!
Ich bin der Spender.
Ich danke Ihnen.«
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Copyright © 2000 by Pentagramma Verlag • Originalveröffentlichung • Mit freundlicher Genehmigung des Autors
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Geoff Ryman • England
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DER FAN
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Billie verliebte sich in Eamon Strafe, als sie fünfzehn Jahre alt war. Billie war ein stilles, unsicheres Mädchen, aber sie schmückte sich hemmungslos mit Symbolen – Ankhs, hethitischen Siegeln, Vampir-Paraphernalien. Sie las Edgar Allan Poe und Bram Stoker und kleidete sich in Schwarz. Sie liebte Spinnen, Särge und Gedichte über den Tod. Eine Zeitlang verwechselte sie Sex mit Horror.
Dann hörte sie Eamon Strafe singen. Sie kaufte gerade Snacks in einem pakistanischen Supermarkt ein. Das Geschäft war abends lange geöffnet und führte Artikel wie Erdnüsse in Kokosraspeln und frischen Ingwer. Das Radio lief, ein Diskjockey mit sanfter Stimme spielte Hardrock, doch der Song, der gerade vorgestellt wurde, bestach durch eine schmeichelnde, ruhige Melodie. In dem Augenblick, als Billie ihn hörte, traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz: Ohne es zu wissen, hatte sie ihr Leben lang auf dieses Lied gewartet.
Die musikalische Begleitung war gemessen, beinahe würdevoll, und schien auszudrücken, daß es ein paar wichtige Dinge im Leben gab. Dazu die hohe, süße, melancholische Stimme, die die Worte wie atemlos hinhauchte. Sang eine Frau? Wer war der Interpret? Billie blieb regungslos stehen und wartete gespannt auf einen Kommentar des Diskjockeys, doch nach dem Song gab er eine Warnung wegen eines Verkehrsstaus durch. Billie fragte die Frau hinter der Ladentheke, ob sie das Lied kenne, doch die Verkäuferin sprach kaum Englisch und lächelte nur freundlich zurück.
Eine Woche später hörte Billie den Song noch einmal. Sie saß in dem Zug, der von London nach South End fuhr, als ein Mädchen namens Tora zustieg. Billie kannte sie von der Schule her. Tora war schrecklich selbstbewußt und verkehrte in etwas besseren Kreisen als Billie. Sie ließ sich auf einen freien Platz plumpsen und schwadronierte ausgelassen mit ihrer Clique. Ghetto Blasters waren wieder in. Provozierend drehte Tora die Lautstärke bei ihrem Gerät auf. Bei der ersten dahingeseufzten Note durchfuhr es Billie. Sie schnellte von ihrem Sitz hoch.
»Hey, Tora. Entschuldige, wenn ich dich störe,
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