Das Jahr der Maus
Handwerks, nachdem ich seinerzeit mit meinen Freunden in der Lausanner Straße schon einmal das Manufakturstadium erreicht hatte.
Der letzte Auftrag der Helfer war dann ein einfacher Mord, ohne Mystik und großes Brimborium. Ich begann immer empfindlicher auf die Nachrichten von Kriegstoten in der Sahara, in Indonesien und sonstwo auf der Welt zu reagieren, es war, als stochere jemand in mir herum, und meine übliche Abendunterhaltung zwischen zwei Zielen, das Fernsehen, wurde zum Problem. Ich dachte zunächst an eine Abstoßungsreaktion meinerseits; nachdem ich nun emotional mit meiner eigenen Gewalt eins geworden war, konnte ich wohl fremde nicht mehr in mich aufnehmen, ein letzter Hinweis darauf, wie sehr mich die Helfer definierten, und hieß es nicht irgendwo in meinem Schädel noch, das Ich sei eine Fiktion? Die Gewalt der Helfer war durch meine Hände hindurch mein Ich geworden, nie war eine Fiktion realer gewesen. Minenopfer im letzten Jahr vor allem wieder Kinder, weltweite Schätzung 30.000. Stocher. Napalm in Osttimor, Massaker in Kambodscha. Stocher Stocher. Deutsches Giftgas in der Türkei, amerikanische Robotbomben in Angola. Stocher Stocher Stocher Stocher. Putschversuch der CIA in Mexiko, Massengräber in Winnipeg. Stocher. Stocher Stocher. Stocher. Das Kombinat aus Terror, Verelendung und Unterdrückung weltweit machte mir die Augen wund wie noch nie, ich konnte nichts mehr ertragen. Die Bilder blieben länger in mein Bewußtsein eingeätzt, auch das ziellose Umherstreifen unter Straßenlaternen brachte keine wesentliche Erleichterung. Das Grundübel stieß mir auf. Natürlich erfuhr ich dann eines Tages doch, daß all dies einen bestimmten Sinn hatte, na was, mein siebtes Haus wurde gut gefüllt. Also das Grundübel, sagte ich mir. Das Zentrum der Dunkelheit, das Herz der Bestie. Als mir Helfer sagten, wen sie dafür bestrafen wollten, war ich gleichzeitig enttäuscht und entsetzt.
Dieses kleine Licht?
Diskutierst du schon wieder?
Die Firma wird verkauft. Jemand entwickelt die gleiche Technik. Ihr laßt diesen Deppen sterben, und es ändert nichts.
Die Firma wird geschlossen. Ein halbes Jahr ist diese Technik unerreichbar. Viele werden leben, die sonst sterben müßten.
Das glaubt ihr selbst nicht.
Tu, was dir gesagt wird.
Mein letztes Ziel war ein Mann in den mittleren Jahren, dessen Firma Motoren herstellte. Der Betrieb, ein klassisches Familienunternehmen der mittelständischen Industrie, fast 150 Jahre alt, seit zwanzig Jahren Hoflieferant des Königs, 210 Beschäftigte, davon 53 semiintelligente Industrieroboter thailändischer Herkunft, tat im Grunde nichts anderes, als komplexe Gewinde aus Kupfer und, für höhere Ansprüche, aus Supraleitern zu wirken, das war oberflächlich gesehen eine relativ harmlose Angelegenheit. Allerdings beschäftigte die Firma DMU GmbH auch eine kleine und feine Entwicklungsabteilung von etwa zwanzig Leuten, Männer in weißen Kitteln, die von dem seltsamen Wunsch angetrieben wurden, die Störungsfreiesten und schwingungsärmsten Elektromotoren der Welt zu bauen, was zur Folge hatte, daß in 70% aller Urangewinnungszentrifugen der Welt Motoren der DMU GmbH liefen, ganz einmal abgesehen davon, daß alle zwanzig Mitarbeiter der besagten Forschungsabteilung Vollmitglieder des KND waren. Die restlichen dreißig Prozent des Weltmarktes für die hochspeziellen Zentrifugenmotoren wurde von fünf Firmen bedient, für deren Mitarbeiter ein sehr geheimes Labor in Rendsburg das höchste der Gefühle war, dies eine Leidenschaft, die das Objekt der Begierde nie zu Gesicht bekommen würde. Delanol C, der modernste chemisch-biologische Hybridkampfstoff, der Stoff, aus dem die Träume der großen und kleinen Machthaber waren, war ohne Zentrifugen mit DMU-Motoren zwar denkbar, aber nicht machbar. Amerikanische Robotbomben steuerten ihren Flug mit Hilfe kristalliner DMU-Motoren, das Pentagon bezahlte dafür Unsummen und ärgerte sich darüber schwarz. Sicher, man konnte auch sehr teures Spielzeug mit DMU-Motoren bestücken, die Nanomotoren aus Rendsburg trieben auch winzige Sonden durch menschliche Herzkranzgefäße, um sie wieder freizufräsen, aber das waren Umsatzanteile, auf die man nötigenfalls hätte verzichten können. Die Mitarbeiter der Firma, die so gut wie kein Privatleben hatten, ahnten alles und wußten nichts. Es gab Schleusen zu unterirdischen Kammern auf dem Firmengelände, die nicht einmal andeutungsweise erwähnt wurden. Heikle private Dinge
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