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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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wie Leder, und das bei dieser Ladung Easy.«
    »Laß mich raten … Lilis Einladung, eine Schwedin aus Cali, womöglich hat auch Xango seine Finger im Spiel. Haben die Geishas nun auch die ZuluNation betört?«
    Huang beobachtet die Frau mit der langen Nase und den runden Augen aufmerksam, sie entspricht keinem der gängigen Schönheitsideale, aber sie hat jenen etwas altmodischen europäischen Charme, der ihm jedesmal die Sinne raubt. Bei Sommersprossen wird er schwach. Er nähert sich ihr behutsam, nimmt ihre Hand und küßt sie.
    »Wie lange dauert dein Einsatz?« will sie wissen.
    »Kommt drauf an, von mir aus so lange du magst.« Er zieht sie an sich, hält sie lange und fest an sich gedrückt, sie soll spüren, was er zu bieten hat. Alles spüren.
    Amber murmelt mit trockener Kehle: »O.K., das integrale Programm.«

 
HUANG
     
    Amber schlägt die Augen auf. Neben ihr liegt ein schöner unbekleideter Mann mit Messingteint und blauschwarzem Haar auf goldenen Bettlaken. Sieht aus wie auf einem Filmset für die täglich ausgestrahlten Telenovelas, wo der Reihe nach alle mit allen eine Affäre haben.
    Die Wände des Zimmers sind in rostrote Töne getaucht. Ihr Kopf dröhnt, ein Easy-Hangover ist bei der gestrigen Ration kein Wunder. Amber setzt sich auf ein Kissen und läßt sich von der Morgendämmerung überfluten, die hier in der Äquatorgegend wie eine Welle über einem zusammenschlägt.
    In der Ferne klingelt ein Windspiel. Sie atmet tief ein, senkt das Kinn zur Brust, hält den Atem an, spürt ins Herzchacra, hebt den Kopf und atmet aus.
    Der Mann im Bett heißt Huang, viel mehr weiß sie nicht über ihn. Sie fühlt sich gut, die Mischung aus beiläufigem Charme und unaufdringlicher Aufmerksamkeit hat sie tief berührt.
    Sie läßt sein Bild ziehen, atmet weiter. Seit Nelson hat ihr niemand mehr gefallen, weder Frau noch Mann. Ein Knoten im Herzen, sie atmet aus, mit einem Seufzer. Zu besessen von ihrer Arbeit, zu wenig Spaß. Das rächt sich immer, früher oder später.
    Amber öffnet die Augen, vor ihr die prächtige altrosa Blütenpracht eines riesigen Oleanderstrauches. Das bittersüße Parfüm weht ihr in die Nase. Versuche Freude wie Leid zu vermeiden, hat ihr die Großmutter immer gesagt. Nur ist sich Amber nicht sicher, ob sie das als Kind schon hatte lernen sollen. Sie wußte zu früh zu viel. Sie führte in ihrer Kindheit bereits das Leben einer Erwachsenen, einer zwerghaften Erwachsenenperson zwar, die alle süß fanden, aber niemand wirklich ernst nahm. Deshalb ihr Ehrgeiz und ihre Selbstdisziplin. Anscheinend war die starke Ladung Easy nötig, um sie zu entspannen.
    Ein Kribbeln im Bauch, wenn sie an die vergangene Nacht denkt. Wie unwichtig ihr die Arbeit erscheint. Sie sieht sich als Ameise in einem riesigen Ameisenhaufen rumwuseln. Warum hat sie sich bloß so wichtig genommen? Ihre Vorliebe für Eurasier hatte sie lange verdrängt, genauso wie die Lust auf Sex pur mit einem Unbekannten, eine ganze Nacht lang.
    Huang murmelt etwas Unverständliches und zieht das Laken über den Kopf, er will weiterschlafen.
    Amber steht auf, setzt sich an den Tisch und schickt mit dem Handy die folgenden Jobs und Nachrichten für Sifu weg:
     
    – Antrag an HanNet auf Recherchen vor Ort zum Thema »Schweizer Hausmänner«
     
    – Vernetzter Suchauftrag zu den Begriffen
    »1. Huang, früher US-WEB, heute Geishas?«
    »2. Lili Tiamat, Hongkong«
    »3. Xango Jones, ZuluNation«
    »4. Leda Wallenstein, New Bangkok«
     
    – kurzer Bericht betreffend Passierung der Schranke mit Hilfe von visualisiertem Paßwort.
     
    Nachdem sie eine weitere Jetlagpille geschluckt hat, die auch als Ausgleich zum Easy wirken soll, startet Amber wie fast jeden Morgen den Tag mit einer Partie Mahjongg solitaire. Während sie die Spielsteine paarweise wegklickt, kann sie ihren Kopf am besten freimachen für neue Ideen. An nichts Bestimmtes denken, läßt die wichtigsten und manchmal verborgensten Gedanken an die Oberfläche des Bewußtseins treiben.
    Zwei Abwerbungsversuche in weniger als 24 Stunden. Ein Test von HanNet? Warum sind sowohl die Zulus wie die Geishas an ihr interessiert?
    Huang ist gut, beruhigend und anregend zugleich. Steckt hinter seiner Leidenschaft mehr als Business? Heute löst sie die Tigerform nach drei mißratenen Versuchen. Der Spruch des Tages lautet: Sei nicht traurig; du mußt sein wie die Sonne am Mittag.
    Huang setzt sich im Bett auf, streckt sich: »Was, schon auf?«
    »The early bird catches the

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