Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
Kommt gut bei Frauen an, dachte ich und beschloss aus strategischen Gründen – Leute kennenlernen, Netzwerk aufbauen, Verbindungen etc. –, in ein vermutlich saublödes Gespräch einzusteigen, wegen Terrain-Sondierung und so. Ich brauchte noch einen coolen Spruch, nicht erst in zehn Minuten, sondern jetzt. Okay, mal sehen: »Das ist so wahr wie das Scheiß-Amen in der Scheiß-Kirche, Alter.« Da hatte ich wohl zu dick aufgetragen, war mir schon beim Sprechen aufgefallen, doch ich ließ mich nicht von mir beirren. »Spaß gibt’s hier nur, wenn du ’ne volle Brieftasche hast.«
»Das Geld liegt auf der Straße«, raunte mir der Schöne zu. »Man muss es nur aufzuheben wissen.«
Sprüche dieser Art, verbaler Dünnschiss gedanken- oder gewissenloser Labersäcke, kotzten mich normalerweise an, aber logisch, ich musste Zugeständnisse machen, wegen der Kontakte und so, um demnächst in dieser Bar kein Unbekannter mehr zu sein. In meiner Antwort, so locker sie sich auch anhörte, lag nach meiner Ansicht die zentnerschwere Weisheit eines Mannes, den das Schicksal oft genug gebeutelt hatte. Zumindest gemessen an diesem hohlen Das-Geld-liegt-auf-der-Straße-Scheiß klang es nicht übel: »Und wenn das Geld mal gerade nicht auf der Straße liegt, wo es eigentlich hingehört, dann muss man es woanders suchen.«
»Hey!« Der Disco-Tänzer war begeistert. »Das ist voll, ey, absolut, ich meine, klasse! Du hast den Durchblick, find ich geil, ey, du bist genauso hungrig wie ich! Was machst du denn so?«
Ich gab mich bescheiden, ließ das Eis in meinem Glas ein wenig klimpern und nuschelte: »Im Moment? Jeden Morgen, nach dem ersten Kaffee und der ersten Zigarette, muss ich scheißen, dann sehe ich mir den Haufen an und stelle fest, dass es schon wieder kein Goldklumpen ist, dann spüle ich den Scheiß in die Kanalisation und frage mich dabei, ob ich zu voreilig gewesen bin, ob ich dem Haufen vielleicht mehr Zeit zum Reifen hätte lassen sollen, was weiß ich.«
Der schwarzhaarige Pseudo-Travolta war zweifellos hingerissen. Wie in einem Flipper blinkte und funkelte es in seinem ekelhaft optimistischen Gesicht. »Hey, das hat Klasse, Alter, wow! Und was hast du davor gemacht? Ich meine, du bist doch’n Typ, der schon einiges hinter sich hat. Weißt du, ich erkenn das auf den ersten Blick.«
Zu gleichen Teilen amüsiert und geschmeichelt, erzählte ich möglichst lapidar, auf Understatement bedacht, von dem Bordell in Hessen, von meinen dortigen »Angestellten«, dem guten Umsatz bis zu der Schießerei zwischen fünf Arabern und drei süddeutschen Gangstern.
»Das war in
deinem
Laden? Leck mich am Arsch, ey, alle Achtung!« In den Augen meines neuen Bekannten lag purer Respekt. »Geile Nummer, Alter, war hier tagelang Top-Thema, saugeil, Mann, musst du mir demnächst mal detailliert erzählen. Ich kann’s kaum fassen. Du bist doch kurz zuvor erst aus dem Knast gekommen.« Er überlegte, die Augen zusammenkneifend, dann schnellte sein Finger gegen meine Brust. »Sieben Jahre! Stimmt’s? Wegen Bankraub. Alter, Alter. Moment mal, ich bin gleich wieder da. Mein Name ist übrigens Leo.« Er ging, nein, er flog zu dem runden Tisch, schob hektisch den Kopf in die Runde, die vollen Lippen bewegten sich gummiartig. Wie von mir erwartet, drehten die vier Männer ihre Köpfe – natürlich langsam, scheinbar bis zum Überdruss gelangweilt – in meine Richtung, kühle Augen musterten mich kurz.
Und schon stand Leo wieder neben mir, heftig atmend, mit sich zufrieden. »Wir dürfen uns zu ihnen setzen. Ich hab das arrangiert. Alles hochkarätige Burschen, schwör ich dir. Wenn die dich akzeptieren, spielst du gleich in ’ner höheren Liga.«
Scheinbar cool wie Steve McQueen in
Thomas Crown ist nicht zu fassen
folgte ich dem aufgedrehten Ersatz-Travolta, der, wie ich zugeben musste, in der schwarzen, hautengen Hose mit dem hohen Bund, der schwarzen, mit Strass bestickten kurzen Jacke und dem weißen Hemd mit Schillerkragen eine gute Figur machte. Wir zogen uns jeder einen freien Stuhl heran und rückten in die Runde. Ich versuchte den harten Blick. Als ich mich vorstellte, ließen mich die vier eisigen Augenpaare frösteln – aber nur innerlich, nach meiner Ansicht gut verborgen. Ärgerlich, dass mein Glas, an dem ich mich hätte festhalten können, unerreichbar auf dem Tresen stand. Zigarette, auch was zum Festhalten, schoss es mir durch den Kopf, war aber’n saublöder Einfall und völlig unmöglich. Jeder der Gangster wartete
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