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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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was mich wieder mal in meiner Ablehnung jeglicher Ideologie bestätigte.
    Zu gern hätte ich herausgefunden, wer für die Ausstattung der
Tiffany Bar
verantwortlich gewesen war. Geschmacklosigkeit, wohin der Blick auch schweifte, eine ziellose Mischung aus Barock, aus Jugendstil und Art Deco, maßloser Einsatz von Goldfarbe, Messing, Tiffany-Lampen, Brokat und Edelholz, an einer Wand eine riesige Kopie des Rubens-Gemäldes
Angelika und der Einsiedler
, eine üppige Nackte, schlafend, neben ihr lüstern der Einsiedler, der ihr offenbar gerade das dünne Tuch vom Leib gezogen – und nun was im Sinne hatte? Ich versuchte, mir den Besitzer dieser Bar vorzustellen, und vor meinem inneren Auge erschien ein untersetzter hässlicher grauhaariger Mann mit maßgeschneidertem grauweiß gestreiften Anzug, blauweiß gestreiftem Hemd, silberner Krawatte, Siegelring und fetter Uhr, die Schuhe schwarz gelackt, zwischen den Fingern eine meterlange Havanna.
    Gedämpftes Licht. Ein paar großzügig dekolletierte Animierdamen auf gepolsterten Barhockern. Eine von ihnen erhob sich kurz und bückte sich, um einen altersschwachen oder betrunkenen, jedenfalls schwankenden Hund zu streicheln – und mir wurde schwindlig, als sich ihr göttliches Gesäß, von einem Minirock nur knapp bedeckt, in meine Richtung reckte. Dann setzte sie sich wieder, und zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich, ein Barhocker zu sein.
Ihr
Barhocker, klar, nicht der des Dicken neben ihr, dessen Arsch es an Größe mit einem Bierfass aufnehmen konnte.
    Wenig Betrieb. Nur der Dicke am Tresen und vier weitere Männer an einem runden, weiß und golden lackierten Tisch. Jede ihrer Gesten demonstrierte, dass sie hier zu Hause waren, Wölfe in ihrem Revier. Sie schienen ein wichtiges Gespräch zu führen und waren, wie’s aussah, für Animierdamen nicht erreichbar. Unterweltgesichter. Das fiel mir gleich auf. Teure, wenn auch viel zu grelle Klamotten, geföhntes Haar und Koteletten, Gold und Brillanten, die obligatorische Rolex.
    Ich ließ mich drei Hocker entfernt von dem Dicken nieder, schon schwebte eine der Damen hinter den Tresen, beugte sich zu mir rüber. Noch ein Stück weiter, und die Titten würden zwangsläufig aus ihrer ohnehin knappen Hülle purzeln, zu meinem Entzücken und allgemeiner Erheiterung. Sie schickte mir überdies ein laszives Lächeln zu und gurrte: »Was darf’s denn sein, schöner Fremder?«
    Ganz jung war sie nicht mehr. Schon einige Falten im Gesicht, kunstvoll zugespachtelt, in den Augen bereits Bitterkeit, die vorläufige Endsumme einer Addition der Enttäuschungen. Aber ging mich nichts an, ich wollte nur einen Drink, bestellte einen Bourbon auf Eis und gab ihr auch was aus, um dann meine Ruhe zu haben, was ich gleich klarstellte. Ich versuchte, so hart auszusehen wie die Typen am Tisch, gab mich aber keinen Illusionen hin.
    Scheißmusik – das schmierige Zeug von Frank Sinatra und Dean Martin. Passte aber, wie ich zugeben musste, perfekt in dieses Etablissement.
    Wohlerzogene Damen – sie respektierten meinen Wunsch, eine kümmerte sich sowieso um den Dicken, die anderen rauchten lange Zigaretten und unterhielten sich schläfrig über Hunderassen, Autos und neue Kacheln im Badezimmer.
    Nach dem dritten Drink füllte sich der Laden. Hauptsächlich Stammgäste – wie der fröhliche Porno-Regisseur, der in Begleitung der männlichen und weiblichen Hauptdarsteller seines neuen Films mit dem Titel
Tiefe Löcher, harte Bohrer
, hereintänzelte, laut und egozentrisch, oder dem fetten Perser, der in jedem Arm ein Mädchen besitzergreifend fast erdrückte, dem ich sofort ansah, dass er von schmutzigen Geschäften lebte. Ein paar um Unauffälligkeit bemühte Typen drückten sich schattenhaft herein, Typen wie ich, zum Kriminellen neigend, aber nicht hart und nicht glatt genug, um die Füße aus dem Schlamm zu kriegen.
    Hin und wieder taumelten, Nachtfaltern gleich, einsame Männer aus den Vororten und der Provinz in den mittlerweile heftig pulsierenden Schuppen, und sogleich klebten die Animierdamen, ihrer Beute gewiss, mit Honigmund und zäh wie Leim an ihnen.
    »Der Laden ist klasse, wenn man reichlich Asche hat und nicht jedem Schein, den man auf’n Tresen legt, hinterherweinen muss«, raunte mir ein schmaler, großer Beau ins Ohr.
    Ich ließ einen schnellen Abtastblick über den lässig neben mir Stehenden huschen. Disco-Tänzer, nahm ich an, sah aus wie dieser John Travolta, der einem momentan aus jeder Zeitschrift entgegengrinste.

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