Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
nun müsse ich ganz wichtig und möglichst grimmig aussehen.
    »Bist du auf irgendeiner beschissenen Droge?«, zischte Berti ihn drohend an. Er wirkte so angewidert, als würde Rotz aus Leos Nase auf die Tischplatte tropfen. »Stellst dich einfach zu uns Erwachsenen und quatschst dazwischen. Soll ich dir den Aschenbecher in die Fresse drücken? Verpiss dich!«
    »Entschuldigung, ich wollte doch nur …«
    »Du bist ja immer noch da!«
    Sven knurrte und ließ die Gelenke knacken, schon flatterte Leo davon. Ich hätte gern die Reaktion der Frau gesehen, aber ich musste mich selbstredend Berti widmen, meinem neuen Auftraggeber.
    »In dem Schließfach steht ein Koffer, ein verdammt schwerer Koffer. Du solltest also so nah wie möglich parken.«
    Scheiße, Mann, er ging davon aus, dass ich einen Wagen hätte. Notfalls würde ich einen klauen müssen, an sich kein Problem, obwohl ich den Scheiß eigentlich nicht mehr machen wollte, na gut, noch einmal, irgendeine alte, unauffällige Karre, Opel Kadett oder so was.
    »Dann lieferst du den Koffer in meinem Büro ab. Keine sehr schwierige Aufgabe, oder? Jetzt stellt sich die Frage: Glaubst du, dieser Aufgabe gewachsen zu sein, ich meine, ohne dass du schwach wirst und dir die Kohle greifst, in der Hoffnung, damit in Acapulco oder weiß der Geier wo untertauchen zu können?« Durchdringender, in meinen Augen nach einer Schwachstelle forschender Blick.
    »Selbstverständlich, Berti.« Ich legte jede Menge Ernsthaftigkeit in meine Miene. »Ich bin ja nicht blöd, ich möchte dich doch nicht zum Feind haben – erstens weil ich dich schätze, zweitens weil ich natürlich weiß, dass ich dabei verdammt schlechte Karten hätte.«
    »Na, das freut mich, dann haben wir uns verstanden.« Durch das Eis in seinen Augen schimmerte, wie mir schien, der Abglanz vager Rührung. »Du wirst dafür nicht bezahlt, verstehst du, weil es ein Test ist, trägst aber hundert Riesen mit dir herum, viel Geld, das manch einen schwach werden ließe. Kannst dich drauf verlassen, dass du danach zu uns gehören wirst, verstehst du, das ist die Aufnahmeprüfung.«
    »Genau, ganz klar, hab voll verstanden.« Ich nickte brav, alle brummten zufrieden, stießen mit den Gläsern an und fühlten sich sauwohl.
    Leo stand allein und traurig am Tresen, starrte sehnsüchtig zu uns herüber, die Seelenpein ließ seine Augen brennen.
    Frost. Das Eis auf den Pfützen knackte und knisterte, wenn man den Fuß darauf setzte. Ich musste mich allmählich um Winterkleidung kümmern.
    Der Tabakladen um die Ecke gehörte einem älteren Perser und roch angenehm nach Tee und Zimt, Granatäpfeln, Pistazien und Pfeifentabak.
    Ich verlangte eine Stange Lucky Strike ohne Filter, eine
Frankfurter Rundschau
und eine Handvoll Lakritzschnecken und fragte: »Nehmen Sie Dollars zu einem korrekten Kurs?«
    Er schloss kurz die Augen und nickte. »Zwei Mark für einen Dollar.« Er nahm die Hundert-Dollar-Note, strich mit den Fingerspitzen darüber, hielt sie gegen das Licht der Marlboro-Neonreklame überm Tresen, schaukelte orientalisch-bedächtig den Kopf. »Das ist Falschgeld. Weißt du das, mein Freund?«
    »Hä?« Plötzlicher Blutandrang in meinem Kopf. »Wieso das denn? Das kann gar nicht sein.« Plötzliches Misstrauen dem Perser, dem Fremden gegenüber, noch immer drin in mir, im Ozean des Unbewussten treibend, diese Vorbehalte gegen Dunkelhäutige. »Glaubst du, ich will dich bescheißen?«
    Mildes Lächeln, das auf reiche Lebenserfahrung schließen ließ. »Ich glaube eher, du bist beschissen worden, mein Freund. Pass auf, ich zeig dir einen echten Hundert-Dollar-Schein.« Er schob sich gewandt ins Hinterzimmer, kam, geziert mit einem Hunderter wedelnd, zurück und hielt beide Banknoten nebeneinander ins Neonlicht. »Gutes Papier, keine Frage, vielleicht sogar die richtige Zusammensetzung aus 75 Prozent Baumwolle und 25 Prozent Leinen, kann sein, aber siehst du die Farben? Sie stimmen nicht überein. Und hier, siehst du?, der Strich, ist im Original nicht durchgezogen, aber die Fälscher wollten wohl perfekt sein und haben ihn durchgezogen.«
    Ich liebte den weichen Klang, den die Stimme des Persers der deutschen Sprache verlieh, aber diese Aussage klatschte wie eine Torte in mein Gesicht. Nun zog ich zwei andere Hunderter aus dem Bündel. »Und was ist damit?«
    Kurzer, professioneller Blick. »Man hat dir Blüten angedreht, mein Freund. Sie sind gar nicht so schlecht. Es gibt noch ein paar Stellen, die einem Experten auffallen

Weitere Kostenlose Bücher