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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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kantig, mit Gesichtern aus Stein, betraten das Lokal, verschafften sich kühl und mit der Selbstsicherheit erprobter Schläger einen Überblick, nickten sich einvernehmlich zu, bestellten im Befehlston Cognac und fingen gleich darauf an, systematisch die Gäste am Tresen und die Mädchen zu provozieren. Anfangs durch Beleidigungen, dann mittels Drohungen und indem sie die Asche ihrer Zigaretten in fremde Getränke schnipsten. Na ja, ich kannte mich aus mit dem Scheiß: die üblichen Weichenstellungen hin zu richtigem Ärger. Aber wer waren die ihrer Sache offenbar völlig sicheren Brecher? Einfach nur Hooligans, die eine Schlägerei von der sportlichen Seite sahen und in der falschen Kneipe gelandet waren? Oder waren sie im Auftrag der Perser-Gang unterwegs, die seit einiger Zeit versuchte, in Lokalen Schutzgeld zu kassieren? Bertis Leibwächter, ein dumpfer, unbeholfener Kleiderschrank, der den Abend üblicherweise am Tresen verbrachte, saß schon seit einer Ewigkeit auf dem Scheißhaus und schien dort eingenickt zu sein. Die Bardame Lili, ansonsten supercool, war total angespannt, schickte stumme Signale zum runden Tisch.
    Berti, der Familienmensch, der Kumpel-Typ, der die
Tiffany Bar
sozusagen als zweites Wohnzimmer sah, war eiskalt geworden, hatte im Kopf garantiert schon längst alle möglichen Abläufe durchgespielt, seinen Bodyguard verflucht, aber ohnehin keine Gefahr, nur so was Unangenehmes wie Hausfriedensbruch, eine vorübergehende Beeinträchtigung der Atmosphäre festgestellt.
    »Machst du das klar?« Bertis mit Ekel und Weltschmerz gefüllter Blick fiel auf Sven, der wortlos aufstand, sich vor den spöttisch grinsenden Kraftpaketen aufbaute und ein paar Worte mit ihnen wechselte. Entweder passte ihm ihre Antwort nicht, oder er fand ihr Grinsen scheiße, vielleicht störte ihn einfach alles an den beiden, aber wie auch immer, er schlug aus dem Stand und ohne Vorwarnung zu, holte nicht einmal aus, die Schläge zischten kurz und trocken, vor allem unglaublich schnell durch die verqualmte Luft, trafen präzis wie aus dem Boxer-Lehrbuch. Es sah gar nicht nach einem wilden Kampf aus. Auf mich wirkte der Wikinger wie ein Gärtner, der das Beet vom Unkraut befreite. Keine Gefühlsregung, kein Schnaufen und Keuchen, einfach nur eine Arbeit, die getan werden musste. Der ganze Spaß war in nicht einmal zwei Minuten vorbei. Alles nicht der Rede wert, nichts weiter als die Beendigung einer lästigen Unterbrechung des netten Abends, als hätte Sven lediglich eine Glühbirne ausgewechselt. Ein paar zerbrochene Gläser, ein paar Pfützen auf dem Tresen, umgestürzte Barhocker, Rotweinflecken auf Lilis Bluse.
    Mit erheblicher Verspätung und somit zu spät warf sich Bertis Bodyguard in die Szene, verwirrt die Lage checkend, nichts begreifend, verschämt zu Berti blickend. Vor ihm lagen die Wichser, verdattert und zerschlagen, auf dem Teppichboden, so kleinlaut wie wohl seit Jahren nicht mehr.
    »Schaff den Dreck hier raus!«, knurrte Sven, einen ungnädigen Blick auf den Bodyguard feuernd.
    Blut auf dem Teppichboden. Louis Armstrong sang
What A Wonderful World
, und mischte damit einen Schuss Ironie in die Szene, was wiederum den Stimmungspegel emporsteigen ließ. Die Animierdamen lächelten professionell und versteckten die Gefühle hinter glatten Gesichtern, die Mehrzahl der Gäste befreite sich trinkend, rauchend, fluchend und scherzend von ihrem Unwohlsein, so wie sie sich jeden verdammten Tag trinkend, rauchend, fluchend und scherzend über die Runden schleppte.
    Meine neuen Freunde, ganz entspannt, hatten die Prügelei – oder besser: Svens Show-Einlage – mit Kennermiene verfolgt, sozusagen als Zuschauer einer Sportveranstaltung.
    »Sven ist Geldeintreiber«, erklärte mir Atze, den der Wikinger sichtlich beeindruckt hatte. »Arbeitet für Berti, aber auch für andere. Er ist der Beste. Ein sehr gefragter und sehr gefürchteter Mann.«
    Manuel meinte nur bewundernswert unbeeindruckt, er sei froh, dass seine Krawatte kein Blut abbekommen habe. Blut auf der neuen Krawatte hätte ihm den Abend verdorben.
    Heuchlerisch nickte ich und sagte, das könne ich gut verstehen.
    »Kannst du nicht.« Manuels Stimme war mit Überheblichkeit getränkt. »Diese Krawatte kostet mit Sicherheit mehr als alles, was du in deinem Kleiderschrank hängen hast.« Sein Blick und der verächtlich verzogene Mund ließen mich an Beton denken, ich sah die Mauer zwischen ihm und mir, antwortete aber, tapfer um Haltung bemüht: »Ich hab gar

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