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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Mund zu einem wahrscheinlich nicht sehr überzeugenden Grinsen. Dass in dieser Runde Brutalität zu den Tugenden zählte, hatte ich bereits mitbekommen. Solchen Männern war ich oft genug begegnet, und eigentlich – das hatte ich schon früh begriffen – gehörte ich nicht zu ihnen. Die Frage nach meiner Position in dieser Runde verbannte ich, weil im Moment nicht zu beantworten und außerdem störend, in eine dunkle Ecke des Bewusstseins. Diesen Abend wollte ich unbedingt genießen. Ich freute mich über das Geld und über die Aussicht, in zwei, drei Stunden betrunken mit dem ganzen Raum und meinen neuen Kumpels zu verschmelzen. Scheiß auf Atzes Schwanz in Gelis Möse. Selbst wenn er ihr den Arm gebrochen hätte – na und? Sie hatte das Böse als Prinzip für sich ja längst akzeptiert. Oder wie? Na klar. Aber hallo.
    »Kann ich hier mit Dollars bezahlen?«
    Bedauerndes Kopfschütteln, spöttisches Grinsen. Bertis Stimme floss rauh, aber durchaus harmonisch zu mir herüber: »Nee, kannst du nicht. Sei froh. Die würden dir hier eiskalt den Dollar eins zu eins berechnen, verstehst du?, einen Dollar für eine D-Mark.« Zustimmendes Grinsen rundum.
    »Wie steht denn der Scheißdollar zur Zeit?«, fragte Atze, den Kolumbianer anblickend, als sei der ein Experte auf diesem Gebiet.
    »Heute morgen waren es 2,32 für einen Dollar«, entgegnete Manuel prompt. War wohl doch ein Experte auf diesem Gebiet, interessanter Typ, ein Mann von Welt, weitgereist – und nicht etwa in die Touristenghettos von Thailand, Kenia oder Barbados. Ein kühler, den anderen an diesem Tisch in jeder Hinsicht überlegener Geschäftsmann.
    Ich gab eine Runde aus und wurde von den anderen scherzhaft, mit einer Spur von gutmütiger Herablassung, ermahnt, nicht gar so übermütig zu sein. Man riet mir auch vertraulich, mit dem Umtausch des Geldes ein paar Tage zu warten, da sich der Wechselkurs in nächster Zeit beträchtlich zugunsten des Dollars verändern werde. Dufte Stimmung. Zwischen Leuten zu sitzen, denen man mit Respekt begegnete, erweckte in mir ein Gefühl von Sicherheit und die Illusion, selbst bedeutend zu sein. Sogar die beiden hier allseits bekannten Zivilfahnder, die ich allerdings auch als solche wahrgenommen hätte, wenn sie mir in irgendeinem anderen Laden begegnet wären, verhielten sich unserer Runde gegenüber auffallend respektvoll. Die typischen Plattfüße. Die Burschen erkannte ich auf Anhieb. Den meisten von ihnen sah man sofort den Zivilbullen an. Sie benahmen sich so, rochen so, waren vermutlich auch nackt in der Sauna als Bullen zu erkennen, und manche von ihnen, zum Beispiel diese beiden, hatten sich irgendwann kaufen lassen.
    Ab und zu näherten sich Ganoven zweiter, dritter oder vierter Klasse teils berechnend devot, teils ungeschickt im Focus der Raubtierblicke die coole Sau mimend, unserem Tisch, näherten ihren Mund einem geneigten Ohr, meistens Bertis Ohr, und zunehmend drängte sich mir der Eindruck auf, dass Berti hier allen Ernstes den Don Corleone spielte. Ich hatte
Der Pate
gemeinsam mit Doris im Kino gesehen, in Bad Nauheim, und so intensiv in mich reingezogen, dass ich nun, gleichzeitig verwundert und amüsiert, verfolgte, wie Berti nach und nach zum Paten wurde, eine gedankenschwere Miene aufsetzte, dem Gemurmel des Bittstellers oder Zuträgers stirnrunzelnd lauschte, den Mund tiefgründig schürzte, wobei aus verhangenen Augen die Last der Verantwortung dampfte. Oft nickte er zustimmend, stets mit bedeutungsvollem Blick, hob quasi segnend die Hand, manchmal wedelte er einen dieser Schmierlappen verärgert und/oder angeekelt mit der anderen Hand aus seiner Nähe oder gar bis vor die Tür. Wir Tischgenossen – ja, ich zählte mich schon dazu – verfolgten vor allem die Erniedrigungsszenen mit der Selbstzufriedenheit und Häme derer, die sich auf der richtigen Seite wähnten. Obwohl Berti Drossel, wenn überhaupt, nur als Mini-Pate bezeichnet werden konnte. Es gab mehrere seines Kalibers. Er hatte, wie alle anderen auf St. Pauli, dem mächtigen Wilfrid »Frieda« Schulz Respekt bezeugt und nicht die geringsten Ambitionen, sich mit dem echten Paten zu messen oder gar anzulegen.
    Sven, der vierte Mann des Gangster-Quartetts, ein rotblonder Wikinger-Typ, groß wie ein Bär, wortkarg und mürrisch, kam mir anfangs ein wenig träge vor, da er sich sehr bedächtig, einem Faultier ähnlich, bewegte. An diesem Abend zeigte er flott und gelenkig, wozu er fähig war. Zwei Männer, richtige Brocken, massig,

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