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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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keinen Kleiderschrank, Manuel, und ich brauch auch keinen.«
    Leicht grinsend und scheinbar neutral hörten die anderen zu. Natürlich erkannten sie, dass ich meine Klamotten bei C&A oder Karstadt kaufte, doch andererseits, das war mir nicht entgangen, hatten auch sie hin und wieder die Arroganz des Kolumbianers zu spüren bekommen und diese Nadelstiche keineswegs vergessen.
    Als ich zur Toilette ging, heftete sich Leo an meine Fersen, stellte sich neben mich, als ich pissen wollte, riss erwartungsvoll die Augen auf. »Und? Ist was für mich drin?«
    Am liebsten hätte ich ihm eine reingezimmert, um die Spannung aus mir rauszujagen. Aber ich schlug natürlich nicht zu, weil Leo für mich so wenig ein Gegner war wie ich für die anderen. Es lag mir nicht, Schwächere zu demütigen. Also knurrte ich nur: »Verzieh dich, Mann! Ich kann nicht pissen, wenn mir einer dabei zuguckt.«
    »Ich will doch nur wissen …«
    »Mann, du nervst echt. Wir haben noch gar nicht über Geschäfte gesprochen.«
    »Habt ihr doch. Ich hab gesehen, wie du die Scheine eingesteckt hast. Dollars. Wahrscheinlich Vorschuss. Die schieben dir doch nicht aus Langeweile ein paar Riesen in die Tasche. Das waren ein paar Riesen, stimmt’s?«
    Ich konnte nicht pissen und fühlte mich generell genervt, zu meinem Unbehagen wuchs die Gewaltbereitschaft in mir. Lag wohl an der Atmosphäre. »Wenn du nicht sofort den Abflug machst, schlag ich dir die Vorderzähne aus.« Mann, dachte ich, von mir selbst überrascht, das war ja’n echt fieser Spruch. Begütigend entschärfte ich meinen Ton: »Wenn für dich was drin ist, werde ich’s dir sofort sagen. Okay?« Mein Schwanz schien irgendwie geschrumpft zu sein, kam mir verdammt mickrig vor, keine Ahnung, ob das was mit dem gutaussehenden Penner neben mir zu tun hatte, dessen Schwanz und Eier gewaltig und selbstbewusst die elastische Disco-Hose ausbeulten.
    »Kannst du Berti fragen, ob ich mich zu euch setzen darf?«
    »Nee! Du musst ihn schon selbst fragen. Und beruf dich dabei nicht auf mich, verstehst du. Ich kenn die Typen erst seit ein paar Stunden.«
    »Weißt du …«, der Esel schob sich immer näher an mich ran, »… gleich kommt eine Torte, die ich flachlegen will. Ich hab ihr erzählt, dass ich mit Gangstern verkehre und so. Deshalb wär’s ganz gut, wenn ich bei euch sitzen könnte, bis sie kommt. Ich meine, wenn das nicht geht, okay, dann werd ich ihr sagen, ich hätte kurz was Geschäftliches zu bereden, dann komme ich zu dir, wir reden irgendwas, scheißegal, was, tun dabei aber so, als wäre es ganz, ganz wichtig und geheim. Okay?«
    Der Typ nervt entsetzlich, dachte ich, und gleich wird er mich beim Pinkeln unterstützen, indem er den Wasserhahn aufdreht oder mir gut zuredet, aber letzten Endes hab ich ihm die 2 000 Dollar zu verdanken. »Okay«, sagte ich, »abgemacht, aber nun lass mich endlich mit meinem Schwanz allein.«
    »Morgen«, raunte mir Berti, die Wichtigkeit jedes Berti-Geraunes gewohnheitsmäßig voraussetzend, ins Ohr, »werde ich dich auf die Probe stellen.« Er war mir jetzt ganz nah, mir blieb keine andere Wahl, als mich ihm zuzuwenden. Wie durch eine Lupe starrte ich auf seine Gesichtshaut, die makellos Pattaya-gebräunt war, aber dennoch ungesund aussah – nicht wegen der tausend feinen Falten, die das Gesicht wie die Risse in einem alten Ölgemälde, zwar verwittert, aber mit Geschichte und Geschichten behaftet, erscheinen ließen, nein, das nicht, etwas anderes: Aus allen Poren dampfte außer den Geruchsmolekülen eines vermutlich teuren, aber viel zu üppig aufgetragenen Rasierwassers eine irritierende Mischung aus Misstrauen, Angst, vulgärer Sinnlichkeit, Brutalität und Lebensekel. Es kam mir zumindest so vor, war aber womöglich nichts weiter als eine sehr subjektive, aus meinem eigenen Emotionensumpf aufgestiegene Wahrnehmungsblase.
    »Pass auf«, sagte er. »Du wirst einem Geschäftsfreund von mir 100 000 Dollar übergeben.« Fast beiläufig, scheinwerferartig über mich streifend, suchte sein Blick nach einem Ausdruck des Eindrucks, den die genannte Summe in mir hervorgerufen haben könnte. Ich weiß nicht, was er in meinen Augen entdeckte, auf jeden Fall sprach er weiter: »Im Gegenzug bekommst du von ihm einen Schlüssel, so’n Scheiß-Schließfachschlüssel, verstehst du, für ein Schließfach im ZOB. Du verstehst, ja? Zentral-Omnibus-Bahnhof. Hinterm Hauptbahnhof.«
    Plötzlich stand Leo hinter mir, heilige Scheiße, murmelte mir ins Ohr, die Frau sei da,

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