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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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Einzelkämpfer wie der Kater brauchen einen Freund, wenn sie nicht elend an einer Wunde oder Würmern verrecken wollen. In den nächsten Tagen werde ich ihn von einem Tierarzt untersuchen lassen.«
    Der Türke lachte verwundert. »Aber heute brauchst du keinen Tierarzt, sondern eine Waffe.«
    »Hör bloß auf. Von Waffen hab ich die Schnauze voll.«
    »Die anderen haben garantiert Waffen.« Bülent schob entschlossen das Kinn vor. »Ich hab auch eine. Eigentlich gehört sie meinem Vater, der sie aber niemals benutzen würde. Er zeigt sie nur gerne anderen türkischen Männern, von denen einige selbst eine Pistole haben, die sie gern anderen türkischen Männern zeigen. Ehre, Männlichkeit, na ja, du weißt schon, diese anatolischen Sachen. Hier bei euch steht das Heldentum seit dem letzten Krieg ja nicht mehr so hoch im Kurs.«
    »Warum sagst du ›hier bei euch‹, wenn du das Land meinst, in dem du aufgewachsen bist? Fühlst du dich immer noch so fremd hier?« Im selben Moment fiel mir auf, dass diese Frage unbedacht war, denn ich selbst hatte ihn ja bis vor kurzem noch als Fremden angesehen, ihn und seine Familie, all die anderen Türken, Inder, Afrikaner – und seine Antwort war mir schon peinlich, ehe er sie ausgesprochen hatte.
    Er lächelte müde. »Ach, weißt du, ich verstehe bis heute nicht, warum mir die Deutschen so fremd geblieben sind. Es ist ja nicht nur die Ablehnung, die ich, das kannst du mir glauben, oft genug erfahren habe. So vieles an ihnen ist einfach anders, also nicht im negativen Sinn, das meine ich nicht, nein, einfach unverständlich für mich. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht ausschließlich in meiner türkischen Nische einnisten dürfen.«
    In der Tat sah Bülent schon von weitem aus wie ein Türke, der sich ausschließlich mit Türken abgibt. Den zweckmäßigen Kurzhaarschnitt hatte ihm garantiert ein türkischer Friseur verpasst, das dünne Bärtchen auf der Oberlippe, das karierte Hemd, die schlecht geschnittene Hose, die nur die Andeutung einer Jeans war – einfach alles an ihm zeigte überdeutlich, woher er kam und wie er lebte.
    Nach einer kurzen Pause sprach er weiter: »Ich hatte – das verstehst du wohl nicht – immer Angst, außerhalb der türkischen Gemeinschaft nicht erwünscht zu sein, ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass ein Deutscher mich als Freund akzeptieren würde.« Kopfschüttelnd grinsend, als wäre ihm ein großer Fehler unterlaufen, brach er ab, räusperte sich und wechselte das Thema, wurde auffallend härter oder wollte zumindest so gesehen werden: »Wissen die Schwanzlutscher, wo du wohnst? Ist, glaub ich, ’ne berechtigte Frage.«
    Mich irritierten die positiven Gefühle, in denen ich wie in einer Thermalquelle wohlig planschte, obwohl der Zeitpunkt denkbar ungeeignet war. Am liebsten hätte ich mit Bülent stundenlang weitergequatscht, Erfahrungen ausgetauscht, über alles Mögliche diskutiert, noch mehr Kaffee getrunken, den Rest der Kekse gefuttert – obwohl mir bewusst war, dass ich jetzt vor allem einen klaren Kopf haben musste, frei von Sentimentalität, klare Sicht, unbehindert vom Dampf der Emotionen. Und schon machten sich die drückenden Gefühle wieder breit, mit der Unruhe und dem körperlichen Unwohlsein im Schlepptau. Das ist es doch, was diese Bertis und Atzes stark macht, dachte ich, diese Eiseskälte, die Rücksichtslosigkeit, die Fähigkeit, kühl zu planen und eine Sache rigoros durchzuziehen. Dagegen bin ich wohl eher ein aufgeregt flatterndes, ziellos durch die Gegend rennendes Huhn.
    Bülents Frage erreichte dennoch mein Gehirn. Ich kniff die Augenlider für einen Moment fest zusammen, warf den Kopf nach hinten, schnaufte kurz, war wieder voll dabei. »Berti hat mich mal, zu beiläufig, um wirklich beiläufig zu wirken, nach meiner Adresse gefragt. Aber da bin ich noch halbwegs nüchtern und deshalb voll auf Draht gewesen. Ich hab gesagt, ich wohne im Karolinenviertel, in der Karolinenstraße. Ist mir gerade so eingefallen, weil ich kurz zuvor stockbesoffen durch diese Straße gewankt war.« Kaum hatte ich das gesagt, streichelte mich ein dumpfer Stolz wegen dieser Meisterleistung auf dem Gebiet der Irreführung. Ich wischte die Streichelhand sofort hinweg und widmete mich dem aufblinkenden Gedanken im Hinterkopf. Die Waffe!
    »Du willst deinem Vater die Pistole klauen?«
    »Ich will sie mir ausleihen.«
    »Und mir leihen?«
    »Ich werde dich begleiten.«
    Abermals kniff ich kurz die Augenlider zusammen, blies geräuschvoll

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