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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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beschreibst, ist der kein Falschmünzer. Er hat wahrscheinlich eine größere Menge Falschgeld günstig aufgekauft und will es jetzt hier in Hamburg absetzen. Die Ostblock-Connection, wie der Perser sagte. Das heißt also, deine 2 000 Dollar hat er auch nicht selbst gedruckt, er musste sie bezahlen und hat demnach Geld in dich investiert.« Zufrieden mit seiner Überlegung, lehnte er sich zurück, lachte spöttisch, auf einmal die coole Sau rauslassend. »Vielleicht liebt er dich ja wirklich, vielleicht hat sich die ganze Runde in dich verliebt. Aber da ich das nicht glaube, gehe ich eher davon aus, dass man dir in diesem Spiel die Deppen-Rolle zugewiesen hat.«
    So weit war ich in meiner Überlegung natürlich auch schon gekommen. »Ich möchte zu gern wissen, wie die Deppen-Rolle aussieht«, murmelte ich, an ihm vorbei durch das Fenster starrend, auf vereiste Dächer, auf das stahlgraue Wolkendach. Die Vorstellung, gleich, wie hypnotisiert, die Blüten abzuholen und in einer Villa in Winterhude gegen den Schlüssel einzutauschen, ohne auch nur ansatzweise in den Coup eingeweiht zu sein, verunsicherte mich so sehr, dass mich Unruhe wie ein Raubtier überfiel und mir riet, sofort zu packen und von hier zu verschwinden.
    »Ey, was ist los, Mann?« Bülent blickte mich forschend an, hatte wohl in meinem Gesicht gelesen, und ahnte nichts Gutes.
    Der Kater sprang auf meinen Schoß, um sich dort bedenkenlos breitzumachen, stieß auffordernd mit dem Kopf gegen meinen Bauch. Alles klar, schon verstanden. Ich streichelte ihn, sein struppiges Fell, sah mir die Wunde an und prüfte möglichst unauffällig, ob das Tier von Flöhen bewohnt war.
    »Er hat keine Flöhe«, behauptete Bülent mit der festen Stimme des Kenners. »Er hat sich noch kein einziges Mal gekratzt.«
    Nachdenklich, während ich den Kater streichelte, sah ich mir sein breites, grobes Straßenkater-Gesicht näher an. Jetzt war es völlig entspannt, die Augen waren geschlossen, der kleine, ruhig atmende Körper vibrierte schnurrend.
    »Ich werde ihm eine Wanne mit Katzenstreu hinstellen. Er kann den Winter über hier wohnen.«
    Bülent hob erstaunt den Kopf. »Na gut, du bist Tierfreund, find ich okay, aber was soll aus deiner Blüten-Story werden?« Er wirkte ungeduldig, schien sich mit mir verbunden zu fühlen. Skeptisch sah ich ihn von der Seite an. Was geht in dem Jungen vor?, überlegte ich, jeder halbwegs vernünftige Zeitgenosse würde sich möglichst weit von mir und der Katze entfernen. Ich hab mich mit Gangstern eingelassen, die Katze hat zwar keine Flöhe, aber garantiert irgendwas anderes, das auch eklig ist – Würmer, eine Seuche oder so. Nun gut, der Junge ist 18, okay, hat das Abenteuer gewittert, den Kick, kenn ich ja, weiß ja, wie das ist. Vielleicht erregt es ihn, ein Geheimnis mit mir zu teilen, mein Kampfgefährte zu sein und somit eine Aufgabe und ein Ziel vor Augen zu haben. Nur welches Ziel? Vernichtung des Bösen oder Untergang mit wehenden Fahnen?
    »Hör zu, Bülent«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme und meiner Miene den Ausdruck geballter Lebenserfahrung zu verleihen. »Es ehrt mich, dass du mir helfen willst, ehrlich, ich bin dir sehr dankbar. Aber ich kann es nicht zulassen, dass du in diese Scheiße hineinrutschst. Das ist kein Ort für anständige Menschen. Glaub mir, ich hab schon einigen Leuten Unglück gebracht. Guten Leuten.«
    Seine Reaktion überraschte mich. Keine Spur von Einsicht, und sogar sein anerzogener, in der türkischen Kultur noch immer selbstverständliche Respekt den Älteren gegenüber hatte momentan Pause: »Was laberst du da für eine Scheiße, Mann? Du hast keinen Freund in dieser Stadt, du kennst dich hier nicht aus, dir geht es so beschissen, dass du dich einem Fremden anvertraust, weil der dir einmal beigestanden hat. Glaubst du wirklich, du brauchst keinen Freund?« Große, braune Augen, blitzend und geradezu schmerzhaft aufrichtig. Ich hoffte, von der aufsteigenden Rührung nicht überwältigt zu werden. Das hätte mir noch gefehlt – vom harten Hund mit Gangster-Image zum schluchzenden Pudding zu werden. Aber ich fühlte mich auf einmal in diesem Mansardenzimmer wohl, wenn nicht gar geborgen – mit dem Schnurrekater auf dem Schoß und dem Moslem an meinem Tisch. Es sah ganz so aus, als wären die beiden – der Türke und die Katze – genau zur rechten Zeit in mein Leben getreten.
    »Doch, ich brauche einen Freund«, sagte ich leise. »Man braucht immer einen Freund. Selbst solche

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