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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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die schönste Zeit war. Weißt du, was mein erster Wagen war? Ein Vorkriegs-DKW. Hat gehustet und gerotzt wie so’n halbtoter Spätheimkehrer, ist aber immer brav angesprungen.« Sein Zeigefinger stach in meine Richtung. »Ich sag dir was, auch wenn du vielleicht denkst, der gute alte Berti wird jetzt beschissen sentimental: Für diesen DKW würd ich ein Vermögen auf den Tisch blättern, wenn ich ihn wiederhaben könnte. Aber geht natürlich nicht. Hab ihn ja damals eigenhändig plattgemacht. Erst mit ’nem Vorschlaghammer, dann hab ich einem Baggerfahrer zehn Mark gegeben, und das war damals viel Geld, damit er die Baggerschaufel zehnmal richtig voll auf die Karre draufknallen lässt. Weil der Wagen irgendwann doch nicht mehr so brav seiner Arbeit nachging. Ist wie mit der Ehefrau. Irgendwann wird sie aufmüpfig, testet, wie weit sie gehen kann. Da nimmst du als zivilisierter Mensch natürlich keinen Vorschlaghammer oder gar einen Bagger.« Er grinste schelmisch. »Natürliche Autorität und ab und zu ein Klaps mit der flachen Hand genügen. Ich bin seit zweiunddreißig Jahren mit derselben Frau verheiratet. Für mich kommt Scheidung nicht in Frage. Da bin ich ganz altmodisch. Meine Olle ist ’ne ganz Liebe. Hat Diabetes. Was willst du machen? Der liebe Gott hat für jeden von uns einen Plan. Wir sind alle nur für ’ne kurze Zeit Gast auf dieser Erde. Hab ich recht oder was? Das ist meine Philosophie, mein Lieber.«
    »Sehr weise, Berti, einfache Worte, die jedoch nachdenklich stimmen«, sagte ich zwar ohne jede Spur von Ironie, aber mit dem Gefühl, schon wieder maßlos übertrieben zu haben. Berti schien der Schmus gefallen zu haben. Er grinste, mit sich und mir zufrieden.
    Als ich endlich mit der
Air France
-Tasche auf der Straße stand, atmete ich tief durch und schüttelte den Widerwillen von mir ab. Schnelle Blicke in alle Richtungen, nur pro forma, war mir schon klar, denn einen Berufsbeschatter hätte ich so ohne Weiteres wohl kaum entlarvt. Aber trotzdem, weil’s dazugehörte: im Gangster-Stil, mit schnellen Schritten Richtung U-Bahn Baumwall, mehrfach die Straßenseite wechselnd, kurzer Blick nach hinten, dann kehrt und zurück, ganz schön clever oder einfach nur beknackt. Jedenfalls folgte mir keiner.
    »Kellinghusenstraße müssen wir aussteigen«, murmelte Bülent. Obwohl sich außer uns nur zwei schlafende Penner und drei besoffen vor sich hinlallende Schweden im Waggon befanden, saßen wir uns, dem Gangsterfilm-Schema verpflichtet, wie zwei Fremde gegenüber, blickten in verschiedene Richtungen, setzten die typischen, Abschottung signalisierenden U-Bahn-Fahrer-Mienen auf, waren aber vermutlich schon unseres Gemurmels wegen auffällig, was in den Zeiten der Terrorismus-Angst üble Folgen haben konnte. Ich war froh, dass sich in unserem Wagen nur besoffene Schweden und schlafende Penner befanden.
    »Ich sage dir«, raunte Bülent aus einem Mundwinkel zu mir herüber, »da ist was faul. Du bist ausgesucht worden, weil sie einen Doofen brauchen.«
    »Vielen Dank. Ein offenes Wort wirkt oft erfrischend.«
    »Na komm, du weißt schon, wie ich das meine. Da du ja nicht doof bist und außerdem weißt, dass du Falschgeld mit dir rumträgst, kannst du ihre Pläne immer noch durchkreuzen.« Er beugte sich verschwörerisch vor, die Pistole in der Innentasche seiner Jacke wurde zu meinem Entsetzen sichtbar, ich zischte ihn aufgeregt an: »Verdammt, die Kanone, ich kann sie sehen, Mann, jeder kann sie sehen.«
    Beiläufig knöpfte er die Jacke zu und lehnte sich zurück, die Glut in seinen Augen erinnerte mich an die Glut, die ich in seinem Alter Tag und Nacht in meinen Augen gesehen, geliebt und gefürchtet hatte. »Den Perser kenne ich auch«, sagte er. »Ein korrekter Typ. Er wird dir zehn Prozent geben. Zehn Riesen sind nicht zu verachten. Ist kein Diebstahl, ist dein Recht.«
    Der Junge war mit seinen Überlegungen weiter als ich. Das gefiel mir, denn meine Gedanken krochen alles andere als souverän durch ein Labyrinth. »Aber dann wird es nicht nur auf Sankt Pauli, sondern in ganz Hamburg verdammt eng für uns – zumindest für mich«, murmelte ich nicht gerade tiefsinnig, aber überzeugend.
    »Das ist klar.«
    »Dann müssen wir schon an der Sternschanze aussteigen.«
    »Genau.«
    »Der Chef ist grade mal weg, kommt aber in etwa zehn Minuten wieder.« Unverbindliches Lächeln, das mit der oberen Gesichtshälfte keine Verbindung zu haben schien. Der junge Mann hinterm Tresen war dem Perser, wie man

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