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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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verschränkten Armen bis zu den erstarrten Gesichtszügen war alles an ihr auf Abwehr eingestellt. Dennoch sah sie anziehend aus; in meinem Kopf wurden schlagartig mehrere Szenen mit mir und ihr angeknipst und liefen nebeneinander ab. Nicht nur Fickszenen, auch romantisches Zeug, Gespräche am Ufer des Mains, Hand in Hand im Palmengarten – aber doch hauptsächlich Fickszenen.
    »Hallo, Geli.«
    »Wie kommst du denn hierher?«
    Wiedersehensfreude sah anders aus. Auch Fred wunderte sich, wie ich seiner gerunzelten Stirn entnehmen konnte.
    »Mit dem Auto. Und warum ich gekommen bin, weißt du ja.«
    »Tja«, sagte sie, nun doch zumindest ansatzweise betreten, »da kommst du zu spät.« Sah nicht so aus, als würde sie uns zu einem Kaffee einladen wollen. »Man hat mir das Geld geklaut.« Schiefes Grinsen, so verlogen wie der Scheiß, den sie mir erzählte. Ihr Blick löste sich flatternd von meinem Gesicht und blieb an meiner Gürtelschnalle hängen. Hinter ihr tauchten zwei Typen auf, die wie richtige Rocker aussahen, mit kantigen, Gewalt ausstrahlenden Fressen.
    »Das ist Hans«, sagte Geli, ohne den Kopf zu heben.
    »Dann sag ihm mal, er soll sich verpissen und nicht noch mal hier antanzen«, knurrte der vordere Rocker und bohrte mir einen Killerblick in die Augen.
    »Ich hab ihm schon gesagt, dass es hier für ihn nichts zu holen gibt.« Geli nuschelte, hatte den Kopf noch tiefer gesenkt und schien irgendwas an meinen Knien entdeckt zu haben.
    Ich verstand. Ich hatte sofort verstanden, bereits beim Anblick von Gelis Gesicht, in dem nur noch Spuren an das sanfte Hippie-Mädchen erinnerten. Jeder weitere Satz aus meinem Mund hätte zwangsläufig aus einer unkontrollierten Ansammlung von Schimpfwörtern aus der untersten Schublade bestanden – und dann hätte ich vermutlich was in die Fresse gekriegt, worauf ich nicht nur wegen der letzten und der vorvorletzten Nacht keinen Bock hatte, sondern weil ich generell eine Abneigung gegen Schmerzen empfand, besonders wenn sie sich in und auf
meinem
Körper austobten. Der Traum, den ich sechs Jahre lang täglich hervorgeholt und gepflegt habe, ist soeben zerplatzt, dachte ich nur für ein paar Sekunden, und dann wurde mir klar, dass in einem dunklen Winkel meines Hirns seit Monaten die Erkenntnis vom Verlust der Kohle, von mir starrköpfig ignoriert, gehaust hatte. Keine Pläne mehr. Zum Abschied schoss ich einen Blick auf Geli, der sie, wie ich unsinnigerweise hoffte, vor Reue zusammenbrechen lassen würde, dann folgte ich Fred zum Auto.
    »In der hast du dich aber schwer getäuscht«, brachte Fred die Sache auf den Punkt, während wir uns von dem Buick durch den Abendverkehr schaukeln ließen. Warmer Fahrtwind blies durch die offenen Fenster und unsere Haare, und alles wäre so schön gewesen, wenn auf dem Rücksitz eine mit Kohle gefüllte Plastiktüte gelegen hätte.
    Bis zu diesem Moment hatte ich nahezu teilnahmslos dem Zusammenbruch meines Traum- und Plangebäudes beigewohnt. Freds Feststellung entsprach zwar den Tatsachen, aber sie ärgerte mich. Blödes Gequatsche. Natürlich hatte ich mich in Geli getäuscht. Das war so offensichtlich, dass nur ein Idiot dazu auch noch einen Kommentar absondern konnte.
    »Schön, dass du das erkannt hast. Wär ich gar nicht drauf gekommen. Es ist beruhigend, einen so ausgeschlafenen Freund zur Seite zu haben.«
    Fred, nun seinerseits verärgert, brummte: »Mann, lass deine Wut nicht an mir aus.
Ich
war es nicht, der einer Schnepfe 60 000 Mark anvertraut hat – dazu noch ohne Quittung.«
    »Was glaubst du, was ich mit dieser Quittung anfangen könnte, außer mir damit den Arsch abzuwischen?«
    »Dafür wäre sie ungeeignet, wegen erstens zu klein und zweitens zu fest. Klopapier hat weich zu sein. Mein Arsch zum Beispiel ist meine sensibelste Körperregion.«
    »Hab ich mir fast gedacht.«
    Wir kicherten kurz vor uns hin, dann schauten wir uns endlich, wenn auch nur verkehrsbedingt, für einen Moment wieder frei in die Augen – und waren sofort beruhigt, denn wir sahen, dass die tiefe Verbundenheit noch immer existierte.
    »Plötzlich bin ich bis zum Zerreißen angespannt«, sagte ich, mich gewissermaßen entschuldigend. »Ich steh ja nun sozusagen vor dem Nichts. Im Knast hatte ich keine Existenzsorgen. Da hatte ich ’ne Menge anderer Sorgen, klar, aber keine beschissenen Existenzsorgen. Jetzt muss ich sehen, wie ich über die Runden komme. Soll ich mir etwa eine Arbeit suchen? Gut, ich weiß, dass Millionen andere Menschen brav

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