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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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jeden Morgen zur Arbeit gehen, wie es sich für anständige Bürger gehört. Aber ich habe nicht das geringste Interesse daran, in nächster Zeit ein anständiger Bürger zu werden.«
    Genau die Sprüche, die Fred hatte hören wollen. Er nickte, davon höchst angetan und vor allem erfreut, einen richtigen Freund zu haben. »Du hast ja mich«, sagte er fürsorglich. »Und wenn wir meine Kohle verbraten haben, könnten wir ja eine Bank … Du weißt schon.«
    »Was? Überfallen? Das ist nicht gerade dein bester Witz, du Komiker.« Befremdet schaute ich ihn an, und er schwieg beleidigt. Ich war ohnehin nicht scharf auf eine Unterhaltung, schon mal gar nicht auf ein Gespräch über Bankraub, also verkroch ich mich in meinen Gedanken, starrte dabei düster auf die vorbeiziehende Stadtlandschaft, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Auf einmal begriff ich, dass die Freundschaft mit Fred alles andere als eine unkomplizierte Kameradschaft sein würde. Die circa 3 000 Mark des Elvis-Fans würden in, na, ich schätzte mal grob, in zehn Tagen aufgebraucht sein. Er hatte ja nie gelernt, das Geld einzuteilen, er war ein großes Kind in 50er-Jahre-Klamotten, das einen Wagen fuhr, für den es kaum Parkplätze gab, von den Benzinkosten ganz zu schweigen. Wahrscheinlich taugte der Traumtänzer, der sich schon als Bankräuber sah, nicht mal zum Schmierestehen. Ein prima Kumpel, zweifellos, ein Freund, mit dem man über alles reden konnte. In meiner Situation hätte ich mir allerdings einen Partner mit Durchblick gewünscht, einen, der mit schlafwandlerischer Sicherheit wusste, was zu tun war. Denn ich zählte leider nicht zu den Anführertypen.
    Dann saßen wir wieder in unserem Zimmer, Lucky Strike in der einen, Bierdose in der anderen Hand, umzingelt von kackbraunbeigen Tapeten, von draußen drang Geschrei, Gelächter, der Klang eines Martinshorns durchs Fenster.
    Fred, in beleidigtem oder vielmehr traurigem Ton, brach das Schweigen: »Warum bin ich für dich ein Komiker? Was ist an mir so lächerlich?«
    Scheiße, Mann, war ja klar, dass er damit kommen würde, dachte ich genervt. Mein Blick löste sich von der Zimmerdecke, um sich auf sein Gesicht zu richten, in meiner Stimme lag alle Ernsthaftigkeit dieser Welt: »Irrtum, Fred. Ich finde dich überhaupt nicht lächerlich. Du bist ja mein Freund. Aber ich sehe ganz klar, dass du in deinem, äh, neuen Leben noch nicht richtig angekommen bist. Du scheinst vergessen zu haben, dass ich erst vor ein paar Tagen aus dem Knast gekommen bin, in dem ich sieben verdammt lange Jahre saß, weil ich eine Bank überfallen hatte, und dass ich selbst noch Schwierigkeiten mit diesem neuen Leben habe. Ich will dir mal was sagen, Alter: Ein Bankraub hat nichts mit Rock’n’Roll zu tun.«
    »Ach? Hat es nicht?« Jetzt ließ er wieder die Tunte raushängen. »Schätzchen, ich bin nicht so blöd, wie du vielleicht annimmst. Ich wollte mich nur der Realität stellen. War nur eine Idee. Irgendwie muss ja Kohle reinkommen.«
    Ich konnte mir ein Hohnlachen nicht verkneifen. »Du meinst, wenn ein richtiger Mann klamm ist, lässt er den Blick schweifen, um eine geeignete Bank ausfindig zu machen?«
    Wieder beleidigt. »Ich weiß, was dahinter steckt. Weil ich schwul bin, kann ich keine Bank ausrauben – würde wohl im Ernstfall mit Wattebäuschchen um mich werfen. Das ist es doch, was du denkst.«
    Angeödet verdrehte ich die Augen. »Bin ich schwul? Nein. Und trotzdem war ich als Bankräuber eine Niete. Uns beiden fehlt das nötige Talent. Das ist der springende Punkt. Das hat doch nichts mit schwul zu tun. Ernst Röhm war auch schwul – und trotzdem knallhart.«
    »Also weißt du, den beschissenen Ernst Röhm hättest du dir ruhig verkneifen können. Es gibt edlere Beispiele von harten Kerlen unter den Schwulen. Zum Beispiel Alexander der Große, Cäsar, Prinz Eugen, John Wayne …«
    »Das ist doch Quatsch.« Ich musste lachen. »Was redest du denn da? Prinz Eugen und John Wayne kannst du garantiert streichen. John Wayne ist ein reaktionäres Arschloch mit Schwulen-Phobie …«
    »Alles nur Tarnung! So wie sich John Wayne bewegt, kann er nur eine Tunte sein.«
    Mit leisem Seufzen winkte ich ab, obwohl ich die Vorstellung witzig fand. Mein Blick wanderte zum Fenster. Doch Fred ließ nicht locker: »Ich könnte Waffen besorgen. In Friedberg. Ich kenne mich dort in allen Kneipen aus, vor allem in den Kaschemmen. In einer Ganoven-Bar hängt immer so’n Typ rum, der mit Waffen handelt. Dafür macht er

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