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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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das Fred ohnehin vor Angst gleich fallen ließ, es gab ein paar kräftige Burschen in dem Laden – und fünf Minuten später fanden wir uns blutend auf dem Straßenpflaster wieder. Ein Lied wehte durch die Kneipenfenster. Nicht von Lolita, aber nicht minder beschissen:
    »Jimmy wollt’ kein andres Mädchen,
    doch sein Leben war nie leer,
    denn als Trost sind ihm geblieben
    die Gitarre und das Meer …!«
    Der grauenhafte Freddy Quinn.
    »Bist du noch ganz dicht?«, fauchte ich meinen Freund an, während ich mich langsam, stöhnend und unter Schmerzen erhob und froh war, wieder einigermaßen aufrecht stehen zu können. »Wie blöd muss man denn sein, um erstens seine Mutter zu liquidieren und zu berauben und zweitens, sozusagen auf der Flucht, eine Kneipenschlägerei vom Zaum zu brechen? Mal abgesehen davon, dass du dich bei der Schlägerei wie eine Tunte verhalten hast. Kratzen, beißen, spucken und fauchen. Das machen Tunten.«
    »Ich bin keine Tunte.«
    »Jedenfalls bist du nicht der Typ, den Marlon Brando in
Der Wilde
spielt. Das solltest du nicht vergessen. Damit kannst du kokettieren – aber wenn’s ernst wird, ich bitte dich, lass den Scheiß.« Zum ersten Mal war ich sauer auf Fred – und das schmerzte mich mehr als die Blessuren. Obwohl die auch nicht ohne waren. Ich legte beide Hände an den Kopf. »Was für eine Scheiße, ey! Kaum bin ich frei, krieg ich jede zweite Nacht was auf die Fresse.«
    Fred schien es auf dem Straßenpflaster zu gefallen. Er saß da im Schneidersitz, steckte sich eine Lucky zwischen die Lippen, ließ sein Zippo aufflammen, inhalierte gierig und bequemte sich endlich zu einer Antwort: »Ist mir klar, dass ich nicht erwarten kann, von heute auf morgen ein anderer Mensch zu werden, aber ich lasse es nicht mehr zu, dass in meiner Gegenwart abfällig über Schwule gesprochen wird.«
    Kopfschüttelnd half ich ihm hoch. »So geht das nicht. Manchmal muss man einfach die Klappe halten. Zum Beispiel in solchen Kneipen. Es sei denn, du stehst darauf, ordentlich vermöbelt zu werden. Aber dann musst du das ohne mich durchziehen.«
    »Diese Drecksäcke.«
    »Genau.«
    Auch der nächste Tag war schwülwarm. Wir sahen uns in Hamburg um, löffelten Eis im Alsterpavillon, wurden in der Nähe des Großneumarkts einen Teil des mütterlichen Schmucks bei einem Juwelier los, der keine Fragen stellte und dafür die Klunker sehr günstig bekam. Das war uns allerdings schon vorher klar gewesen. Ich hatte früher oft mit Hehlern zu tun gehabt. Deshalb hätte es mich eher irritiert, wenn einer aus dieser Zunft unsere Notlage
nicht
ausgenutzt hätte.
    Fred teilte ohnehin meine Einstellung zum Geld, das heißt, für ihn waren die Scheine wie Schmetterlinge – sie schwirrten umher, und manchmal ließen sie sich auf einem nieder, oft genug flogen sie viel zu weit entfernt vorbei, und die sich auf einem niederließen, blieben für gewöhnlich nicht lange. Man gab sie achselzuckend frei und war dafür anständig besoffen oder im Besitz einer weiteren geilen Rock-LP, oder der Benzintank war wieder voll. So hatte er von Kindheit an gelebt, die Schmetterlinge waren meistens der Geldschatulle seiner Mutter entwichen, hin und wieder hatte er beim Kartenspiel Glück gehabt – und ganz früher, schon so lange her, dass es gar nicht mehr zählte, hatte er ja mal richtig Geld verdient mit dem Verkauf unverzollter Zigaretten, wenn auch nur ein paar Monate lang. Und das war ja bekanntlich voll in die Hose gegangen. Im Knast hatte auch er arbeiten müssen. In der Küche. Wie ich. Nur konnte ich im Gegensatz zu ihm leidlich kochen. Am Vortag hatte ich ja mit ansehen müssen, wie er Spiegeleier briet. Mann oh Mann! Außen angebrannt, kein einziger Dotter unversehrt.
    Am frühen Abend stiegen wir wieder in unsere 50er-Jahre-Klamotten, versteckten unsere Gesichter hinter harten Mienen, steckten uns jeder eine Lucky in den Mundwinkel, dann fuhren wir nach Eimsbüttel.
    Und fanden in der Von-der-Tann-Straße sogar einen Parkplatz für das Schiff.
    In dem Mietshaus lebten zwei türkische Familien und mehrere Wohngemeinschaften. Auch hier also Türken. Wie viele von denen lebten denn mittlerweile in dieser Stadt? Gelis Name stand an der Tür zur linken Souterrain-Wohnung, zusammen mit zwei anderen Namen. Ich klingelte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Von Geli. Die nicht nur genauso schlank wie damals, sondern außerdem sehr überrascht war. Nicht etwa freudig überrascht. Im Gegenteil. Von den spontan vor der Brust

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