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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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den 60er Jahren …«
    Der Polizist zuckte gelangweilt die Achseln. »Die Zeiten ändern sich. Früher war die Gesetzeslage so, heute ist sie anders.«
    »Aber entschuldigen könnten Sie sich. Ich verlange hier und jetzt von Ihnen eine Entschuldigung!«
    Ich kniff entsetzt die Augen zu, der Bulle blieb jedoch gelassen. »Warum soll ich mich für Gesetze entschuldigen, die schon vor meinem Eintritt in den Polizeidienst abgeschafft wurden? Mein Beileid und auf Wiedersehen.«
    Fred wollte noch irgendeine Beleidigung von sich geben, doch ich trat ihn ans Schienbein, der Bulle schloss die Tür von außen, Fred fauchte mich an: »Bist du neuerdings auf der Seite der Bullen, verfluchter Judas?«
    »Du bist besoffen. Komm, setz dich wieder hin, wir trinken noch ein Bier und überlegen uns, was nun zu tun ist.«
    »Was nun zu tun ist?« Mit einem Schlag war der Zorn verpufft. Mein Kumpel sah aus, als hätte ihn eine Fee berührt. Jede seiner Körperzellen schien auf einmal von Jubel und Optimismus erfüllt zu sein. »Goddam, Buddy, ich hab jetzt die große Wohnung in Friedberg für mich allein. Du wirst da natürlich auch wohnen, gleichberechtigt, aber das versteht sich ja von selbst. Was mein ist, ist auch dein – und umgekehrt. Dort werden wir dann die Pläne schmieden. Von dort aus werden wir zuschlagen. Von diesem Adlerhorst inmitten der Bundesrepublik werden wir ausschwärmen und die braven Bürger das Fürchten lehren, nicht wie die Arschlöcher von der RAF, sondern emotionslos, wenn auch elegant, vielleicht sogar mit herbem Charme, auf jeden Fall mit Stil und eiskalt gewinnorientiert, zwei stahlharte Outlaws, jeder kann sich hundertprozentig auf den anderen verlassen, vielleicht werden wir eines Tages sogar gemeinsam im Ehebett schlafen.« Schmutziges Grinsen.
    Anfangs hatte ich, der mehrmals vorbestrafte Outlaw, das Licht am Ende des Tunnels ahnend, zustimmend genickt und gelacht. Eine neue Option. Doch schon trat die Vernunft ans Rednerpult, um auf mich einzureden. Das sei kein Spaß. Dieser weiche, ein wenig aufgeschwemmte Narr habe offensichtlich die Absicht, sobald wie möglich kriminell zu werden. Aber auf der dunklen Seite des Lebens zu stehen, habe nichts mit Romantik zu tun, auch wenn die musisch veranlagten Verbrecher gern Lieder hörten, die von
Ball and Chain
, von
Folsom Prison
und
Jailhouse Rock
, von
Tom Dooley
und
Hangman’s Knee
erzählten.
    In Wahrheit war ich ja auch nicht frei von sentimentalen Anwandlungen bei diesem Thema, obwohl ich bisher von jener Romantik nicht viel mitgekriegt hatte, außer eben in Blues- und Country-Songs, in Filmen und in Erzählungen unglaubwürdiger Mithäftlinge.
    Dennoch sah ich mich öfter so: Whiskey, Zigaretten, vage Sehnsucht, es ist fünf Uhr morgens, aus dem Fenster eines Motelzimmers fliegt der Sound eines Tenor-Saxophons in die Morgendämmerung, an der Straßenkreuzung blinken Ampeln, Polizeisirenen nähern sich, der Held, soeben von seiner Freundin verraten worden, nimmt die Pistole auseinander, reinigt liebevoll die Einzelteile, fügt alles mit geübten Griffen wieder zusammen, schiebt das volle Magazin in den Schacht, lädt lässig durch und erwartet fatalistisch und mit einem bitteren Lächeln den Feind.
    Wahrscheinlich braucht man als Outlaw ab und zu dieses Bühnenbild, um sich nicht ständig als Flüchtender oder gar als potentieller Strafgefangener zu fühlen. Selbstbetrug findet natürlich nicht nur in den Köpfen der Kriminellen statt, schon klar, und vielleicht sind die Konsequenzen für angesehene Mitbürger, die sich dem Selbstbetrug hingeben, auf ähnliche Weise katastrophal, keine Ahnung, mir auch scheißegal, das würde mich auch nicht beruhigen. Es gab für mich nur wenige beruhigende Dinge. Eins davon wurde mir gerade zur rechten Zeit angeboten: Freds Wohnung, die Trutzburg, das nach Lavendel, Sagrotan und Bohnerwachs duftende Refugium. Ich freute mich geradezu auf den Geruch, der mich im Flur empfangen würde, auf die Badewanne, die schneeweiße Bettwäsche und die mit flauschigem Stoff bespannte Klobrille.

E IN H ERZ FÜR I GEL
    »Friedberg hat sich während unserer Abwesenheit überhaupt nicht verändert«, scherzte Fred, der einerseits gelöst, andererseits aufgeregt wirkte.
    Auch die Fink’sche Wohnung sah noch genauso aus wie vorher, wenn man davon absah, dass sich Frau Kannegießer aus Bad Homburg, die Freundin von Frau Fink, darin aufhielt, als wäre sie damit verwachsen. Eine streitbare alte Dame, deren Dalai-Lama-Verehrung in

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