Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
Kunst zu beschäftigen.
Die Plattensammlung. Eine Menge Scheiben für jemand, dessen ganzer Besitz in zwei Koffer passt. Auf dem Plattenteller drehte sich gerade
Mr. Wonderful
von Fleetwood Mac – den
alten
Fleetwood Mac, wohlgemerkt, die nach Doris’ Ansicht eine der besten weißen Blues-Gruppen gewesen waren. Die unverwechselbare Stimme von Jeremy Spencer – so könnte ich auch den Blues singen, dachte ich spontan. Ich hatte nie Blues gesungen, immer nur Rock’n’Roll beziehungsweise Beat, mich an die schwarzen Sachen nicht rangetraut. Ja, so muss es klingen, wenn ein Weißer den Blues singt, dachte ich entzückt. Dann der einmalige Sound von Peter Greens Gitarrenspiel. Das war richtig dreckiger Blues.
Doris hatte zwei Flaschen Bourbon gekauft – Jack Daniel’s, der eigentlich nicht als Bourbon gilt, weil er in Tennessee hergestellt wird, doch aufgrund seiner Machart und des hohen Mais-Anteils dennoch ein Bourbon ist. Sie hatte sich auch sonst nicht lumpen lassen: Erdnüsse, Käsewürfel, zusammen mit Oliven, Ananasstücken und Cocktailkirschen auf Zahnstocher gespießt, also alles ein wenig altmodisch, 50er-Jahre-Stil, aber trotzdem oder vermutlich deswegen einfach rührend. Als Tischdecke diente ein Palästinensertuch.
Das Kerzenlicht-Abenteuer, dachte ich bewegt, und meine Erwartungen, vollgesogen mit 1A-Nährstoffen, angestrahlt vom Licht der Vorfreude, blühten prächtig auf. Auch wenn es heute mit dem Sex nicht hinhauen sollte, dürfte es ein Abend werden, der schon deshalb alle Sehnsuchtsträume aus dem Knast weit in den Schatten stellt, weil er real ist.
Schon nach den ersten Käsehäppchen und dem zweiten Drink lagen wir gemeinsam im Bett, erlöst, zufrieden und ein ganzes Stück weniger einsam.
Dann fiel ein Schuss in diese wunderbare Stille, knallte brutal in unsere Harmonie hinein, hallte unheilvoll in den Ohren nach, ließ Türen auffliegen, Stimmen ertönen, Lichter aufflammen.
O RTSWECHSEL
Hatte der durchgeknallte Schmehle doch tatsächlich seine Frau erschossen. Bevor die Polizei eintraf, zahlte er Doris und mir gewissenhaft den uns zustehenden Lohn aus, machte unsere Papiere fertig und wünschte uns alles Gute. Matt winkte er den bestürzt in Schlafanzügen und Nachthemden herumstehenden Gästen zu. Wir warfen nur einen scheuen Blick auf den Saustall. Sah ziemlich gruselig aus: Frau Schmehles Gesicht war von der Schrotladung völlig zerfetzt worden, sie lag auf dem Rücken, Arme und Beine von sich gestreckt, ein erlegtes Wild.
»Glauben Sie mir, sie hat’s verdient«, knurrte Herr Schmehle knorrig, während ich mich dezent in den Papierkorb erbrach.
Na ja, kurz darauf Ankunft der Staatsgewalt, ungemütliche Geschäftigkeit. Der Rest des Abends war offensichtlich im Arsch. Verständlicherweise gruselte mich der Anblick so vieler Bullen. Mir reichte gewöhnlich schon einer, um Übelkeit zu verursachen. Überall Uniformierte, die Spurensicherung, Fragen stellende Kripotypen mit Gesichtern aus Stein, ein Arzt, zwei Reporter, die offensichtlich einen guten Draht zur Polizei hatten, denn sie tauchten fast gleichzeitig mit den Bullen auf, durften sich ungehindert umsehen und fragend die Leute anbohren, interviewten den hektisch an seiner Zigarette saugenden Herrn Momberger sowie Frau Kappus, die allerdings zu undeutlich sprach, weil sie in der Aufregung ihr Gebiss verloren hatte. Doris kochte für alle Kaffee, Herr Kleber aus Fulda schnallte sich das Akkordeon vor den Bauch, wurde jedoch ermahnt, nicht zu spielen, und da die Ermahnung nichts fruchtete, nahm man ihm das Instrument gewaltsam weg.
Als Doris und ich nach nur vier Stunden Schlaf erwachten, war es zehn Uhr morgens. Ich hatte unruhig geschlafen in dem engen Bett. Die nackte Frau an meiner Seite – ihre Haut an meiner Haut, ihr Atem in meinem Gesicht. Ich hatte fast vergessen, wie so was war. Sie roch angenehm. Alles an ihr war angenehm und schön.
»Du hast den Frühstücksdienst verschlafen«, sagte ich grinsend. »Immerhin hat uns der Chef bis einschließlich heute bezahlt.«
Wohlig reckte sie ihre Glieder. »Der Chef sitzt im Untersuchungsgefängnis und kann mich sowieso am Arsch lecken. Wie ich deutlich hören kann, ist in der Küche einiges los. Die Gäste werden sich vor ihrer Abreise noch mal ordentlich selbst bedienen. Soll ich mich auch selbst bedienen?« Sie warf mir einen schwülen Blick zu, während ihre Hand unter der Bettdecke nach meinem Schwanz tastete, der, längst hart und groß, die Decke pyramidenförmig
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