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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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…«
    »Rudi, ich blas jetzt die Kerze aus«, nölte die Frau, ein schmales, wenn nicht gar mageres Geschöpf, wie ich trotz meiner Angst nebenbei registrierte, schneeweißer Körper, blonde Haare, schimmernde, vermutlich eingeölte, zudem rasierte Möse. Mir war bisher noch nie eine Frau mit rasierter Möse begegnet, und unter anderen Umständen hätte ich gern genauer hingesehen.
    »Siehst du!« Der Koloss schnaufte erregt. »Jetzt hast du Arsch uns total aus dem Konzept gebracht. Jetzt muss ich dich, verdammt noch mal, bestrafen. Das hast du nun davon.«
    »Lass sofort sein Ohr los, du Scheiß-Godzilla!« Zu meiner Freude klang der Befehlston in Doris’ Stimme sehr überzeugend. Ach, da war ja auch meine gute alte Beretta, die in Doris’ Hand enorm groß wirkte. Den wirklich großen und überdies abgebrühten Rudi schien die Waffe in dieser kleinen Frauenhand nicht übermäßig zu beeindrucken. Er lachte verächtlich, gab aber immerhin mein leicht angeschwollenes Ohr frei.
    »Wenn du mit dem Ding losballerst, kleine Frau, wird’s erstens unheimlich laut und zweitens verdammt ungemütlich. Unten an der Rezeption langweilen sich meine Bodyguards, die nur darauf warten, endlich was für ihr Geld leisten zu dürfen. Hast du die Waffe überhaupt entsichert und durchgeladen, Mäuschen? Das ist nämlich wichtig.« Überlegenes Grinsen, der Typ gab sich ganz entspannt. Oder? Für einen Blitzlichtmoment glaubte ich, das Raubtier-hafte hinter der Pose gesehen zu haben. Alles Bluff, aber gut gespielt, gehörte zum Handwerk, ganz klar, ich kannte solche Typen. Die ruhige, feste Stimme, das Spöttische, die coole Gestik – und dahinter volle Anspannung, das Abschätzen der Lage, die Vorbereitung auf den Angriff. Verzweifelt versuchte ich, meine Erregung runterzufahren, die Flut der zahllosen, ausnahmslos von Furcht beherrschten Gedankenschnipsel zu kanalisieren und vor allem endlich selbst sinnvoll aktiv zu werden. Der Kerzenständer, hüfthoch, aus Messing. Ich umfasste ihn mit beiden Händen, die Frau auf dem Bett stieß einen Warnschrei aus, zu spät – der Kerzenständer knallte wie ein Morgenstern auf Rudis Kopf. Auf dem vulgären Gesicht breitete sich ungläubiges Staunen aus. Der Knochenbrecher stürzte nicht, war aber immerhin irritiert.
    »Du musst noch mal zuschlagen!«, forderte die wie so oft praktisch denkende Doris sachlich, offenbar mit vollem Durchblick. Gehorsam knallte ich den Leuchter abermals auf Rudis Schädel – und endlich fiel der Riese vornüber. Der Fußboden bebte.
    »Das ist gemein«, stieß die Frau auf dem Bett empört hervor.
    »Ist es nicht«, entgegnete ich trotzig, obwohl mich das Ergebnis meiner Tat erschreckte.
    »Ist es doch«, sagte sie ebenso trotzig.
    Doris wusste, was Sado-Maso-Paare benötigten, ließ ihren Blick fachkundig über das verstreute Werkzeug schweifen und fand auch schnell die Handschellen, zwei Paare – und Klebeband lag gleich daneben.
    »Sei vernünftig, dann passiert dir nichts«, sagte sie kühl zu dem mageren Geschöpf, wedelte ausdrucksstark und offenbar überzeugend mit der Pistole.
    »Ist er tot?«, hauchte die Schmale, während Doris ihre Hände an die Bettpfosten kettete.
    »Nein, ist er nicht. Er gönnt sich nur eine Pause vom Alltagsstress, wird allerdings nachher über Kopfschmerzen klagen. Dann musst du ganz lieb zu ihm sein.«
    Rudi schlug die Augen auf, stöhnte und seufzte, schien aber noch nichts zu kapieren.
    »Wenn ihr weg seid, werde ich schreien.«
    »Nein, wirst du nicht.« Ratsch, ein Stück vom Klebeband abgerissen, der Nackten auf den Mund gedrückt – und schon war Ruhe.
    »Was stehst du hier herum wie eine Statue?« Doris stieß mir ungeduldig und zu meinem Befremden ganz schön autoritär ihren Zeigefinger in den Bauch. Aber klar – wir hatten es jetzt wirklich eilig. Der Autoschlüssel. Auf dem Flur begegneten wir einem Mann, den unser Anblick jedoch nicht zu beunruhigen schien. Unsere Koffer waren schnell gepackt, wir bezahlten bei dem Alten an der Rezeption, der wie ein ehemaliger Boxer aussah, für die zwei Nächte, die wir hier verbracht hatten, sowie für die jetzige, längst noch nicht beendete Nacht und hofften, er würde unsere Abreise nicht als Flucht erkennen. Keine Spur von Rudis Bodyguards. Hatten vermutlich Pause und schoben sich im Imbiss nebenan eine Bratwurst rein.
    Auf der Straße empfing uns feuchtwarme Luft, die weiteren Regen versprach.
    Der rote Mercedes 450 SEL, von dem angeblich jeder wusste, wem er gehörte,

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