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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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ihre Entschlossenheit faszinierte. »Wir müssen das anders aufziehen. Edler. Mit eigenem Zimmer. Gepflegt. Spitzenservice.« Sie hatte jetzt eine bisher von mir nicht an ihr wahrgenommene, von Sachlichkeit geprägte, geschäftsmäßig kühle Miene aufgesetzt.
    »Hä?« Mein Mund stand so weit offen, dass man mir vermutlich bis in den Magen sehen konnte; wahrscheinlich sah ich in diesem Moment wieder mal ziemlich dämlich aus. »Wie …, wie …«, stotterte ich, während in meinem Kopf mehr oder weniger ziellos die Orientierungsmaschine ratterte, »wie meinst du
das
denn? Was …, was soll ich mir denn darunter vorstellen? So ’ne Art Ein-Frauen-Bordell? Du machst verdammt blöde Witze, echt jetzt, schon die ganze Zeit.«
    Verärgert rutschte sie vom Bett, eine kleine, hübsche, nicht mehr ganz junge Frau, keine, nach der sich alle Männer wie verzaubert umdrehten, wenn sie eine Bar betrat, aber schon wegen des ausdrucksstarken Gesichts anziehend, noch immer ihre Träume pflegend und in diesem Moment vor Lebenslust sprühend. Mit zwei schnellen Schritten war sie am Fernseher und schaltete ihn aus. Es knackte und knisterte – schwarzer Bildschirm. In ihren ernsten Gesichtsausdruck mischte sich, fast schon vulgär, eine mich verblüffende Härte. »Pass auf«, sagte sie, während sie sich, offenbar Distanz suchend, breitbeinig auf einen der Stühle setzte, die Lehne vor sich, auf der sie die Unterarme ablegte. »Ich mach keine blöden Witze, mein Lieber. Ich hab mir nur, im Gegensatz zu dir, ein paar konstruktive Gedanken gemacht. Findest du unsere Situation etwa befriedigend? Du bist ein schlechter Koch, der nur in miesen Restaurants oder Kantinen Arbeit findet, zum Bankräuber taugst du auch nicht, mir hängt das Betten- und Frühstückmachen zum Hals raus. Oh ja, wir haben ein Dach überm Kopf, zwei Flaschen Whiskey, sind einigermaßen satt – und wenn uns langweilig ist, können wir immer noch ficken. Genügt dir das? Mir nicht! Prostitution ist ein ganz normaler Beruf, in dem man gut verdient, wenn man gut ist, und das ist schon mal ein fetter Pluspunkt im Vergleich zu den beschissenen Jobs, in denen ich seit einigen Jahren wie eine Beknackte arbeite. Oder hältst du Prostitution für etwas Verwerfliches? He? Ich hoffe nicht, dass du so borniert denkst, denn in diesem Fall hätte ich mich arg in dir getäuscht.«
    Wie in Beton gegossen stand der letzte Satz im Raum.
Borniert, getäuscht!
– ich wollte nicht als borniert gelten, auf keinen Fall. Und dennoch. Diese Enthüllung, bei der eine fremde, nach meiner augenblicklichen Ansicht sogar dunkle Seite meiner Freundin bloßgelegt worden war, hatte sich schwer wie eine nasse Wolldecke auf mich gelegt, alte, längst überwunden geglaubte Vorurteile sowie gekränkte Eitelkeit, die ich ebenfalls als liquidiert betrachtet hatte, tummelten sich plötzlich erstaunlich vital in meinem Hirn, um dort die Ratio zu attackieren. Dumme Gedanken – oder besser Gedankenfetzen: Bankräuber und Autoklauer positiv, weil verwegen und risikofreudig – Nutte negativ, weil ehemals reiner Frauenkörper beschmutzt durch gierige Männerhände, verschorfte Schwänze, belegte Zungen, Kontaminierung durch Ausdünstungen abstoßender Kerle, vielleicht sogar Sperma auf den Geldscheinen, der widerliche Geruch eines Rasierwassers in den Schamhaaren und lauter solche Scheiße. Aber klar, keine Frage: ein Beruf wie jeder andere. Man konnte ihm schlampig, vampirhaft oder dienstleistungsmäßig engagiert nachgehen. Ich zwang mich, das Thema sachlich zu sehen. Nach dem Job unter die Dusche, gut einseifen, abbrausen, Feierabend. Ein heller Gedanke zog kometenhaft durch meinen Kopf: Zukunftsperspektive, alles bunt, leicht verdientes Geld, das schöne Leben, nie wieder Schweinebauch und Küchendunst.
    Also nickte ich zustimmend, aber dennoch dem verbliebenen Rest der Skepsis mittels kräftig gerunzelter Stirn Ausdruck gewährend, sah ihr tief in die Augen, so in der Art von
Schau mir in die Augen, Kleines
, wurde jedoch unsicher unter ihrem klaren Blick, was mich für eine Sekunde an meiner Männlichkeit zweifeln ließ. »Hat mich im ersten Moment umgehauen, muss ich ehrlich gestehen, entschuldige. Ich hab ja nichts gegen Nutten – wenn diese Bezeichnung okay ist? –, aber hab mich auch noch nie gefragt, wie es wäre, wenn ich eine Nutte zur Freundin hätte. Verstehst du? Wenn im Verlauf eines Jahres, sagen wir, tausend Schwänze, meinen nicht inbegriffen, in dich eindringen, finde ich das

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