Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
natürlich, hm, na ja, ein wenig, äh, na ja, kurz und gut, die Vorstellung ist mir unangenehm. Klar ist natürlich, dass man das Thema sachlich behandeln muss, auf der rationalen Ebene. Aber ich sag dir gleich, ich hätte dich niemals zu so was gedrängt, ich bin kein Zuhältertyp, ich würde mich auch verdammt unwohl fühlen, wenn du dich später vor diesem Job ekeln solltest.«
Spöttisches Lachen, gepaart mit so einem Klugscheißer-Blick, den jeder aufsetzte, der sich anmaßte, mir das Scheißleben erklären zu wollen. Auf einmal meinte ich, in ihrem Gesicht die Abdrücke einer bewegten Vergangenheit, von der mir bisher lediglich ein paar mehr oder weniger polierte Schaustücke vorgelegt worden waren, erkennen zu können.
»Mach dir keine Sorgen um dein Seelenheil«, sagte sie schnippisch – und wirkte dabei so lebensklug, hatte offenbar alles im Griff, den perfekten Plan seit Tagen in der Tasche gehabt, ihn reifen lassen, die Details wieder und wieder durchdacht, alle Achtung! Ich kam mir dagegen so unbeholfen vor, als wär ich bis jetzt wie ein Blinder durchs Leben getappt. »Ich weiß, auf was ich mich einlasse«, sagte sie ruhig. »Knackfrisch wie ’ne Achtzehnjährige bin ich weiß Gott nicht mehr, aber es gibt ’ne Menge Freier, die auf Frauen Ende dreißig stehen, außerdem trage ich große, pralle Titten und einen großen, festen Arsch mit mir rum. Ich mach das zwei, drei Jahre; wir sparen den größten Teil der Kohle, danach eröffnen wir ein Geschäft – was weiß ich, einen Plattenladen, eine Kneipe …« Sie schwieg für einen Moment – entweder in ihren Träumen herumspazierend, oder, verdammt noch mal, um sich kurz auf eine weitere Offenbarung vorzubereiten.
Und die ließ nicht lange auf sich warten: »Ich hab mir darüber hinaus überlegt, ich könnte sogar den Domina-Job machen. Dann würde ich noch’n paar Jahre länger arbeiten. Freier, die auf Dominas stehen, lieben Frauen über vierzig und bezahlen auch mehr als die Rammler, die nur ein bisschen mit den Titten spielen und schnell abspritzen wollen.«
Mann oh Mann, dachte ich überwältigt, sie hat sich alles schon ausgemalt, weitreichende Pläne, ein Plattenladen, spricht schon so abgebrüht wie ’ne Professionelle. Ich bin ja auch nicht gerade zimperlich und benutze gern deftige Wörter, aber das ist schon heftig, so ganz anders als ihre romantische Kerzenlicht-Tour in Bad Nauheim. Und dann auch noch Domina?
»Muss man dazu nicht einen gewissen Hang verspüren? Ich meine, die Freier merken doch gleich, dass du die Domina nur spielst.«
Wieder dieses überhebliche – nein, eher selbstbewusste Lachen. Vielleicht, dachte ich, kommt mir ihr Selbstbewusstsein nur als Überheblichkeit vor, weil ich mich dabei relativ klein fühle.
Sie setzte sich neben mich auf die Bettkante, strich sanft mit dem Handrücken über meine Wange und sah mich liebevoll an. »Für dich werde ich niemals eine Domina sein. Aber glaub mir – die Freier werden mich verehren. Ich war mal bei einer Domina in der Lehre, sechs Wochen lang. Hat mir ganz gut gefallen. Pass auf, ich sag dir jetzt, was dabei wichtig ist: Man muss wie eine Domina gekleidet sein, logisch, also schwarzes Mieder aus Leder beispielsweise, schwarze Netz- oder Seidenstrümpfe, schwarze Lackstiefel; Latex wird auch gern benutzt, und überhaupt sollte man ein üppiges Sortiment an Klamotten und Stiefeln haben. Man braucht ein entsprechend eingerichtetes Zimmer, du weißt schon, vorwiegend schwarz, eventuell schwarze Samtvorhänge, obwohl auch ein Lila oder ein dunkles, kräftiges Rot nicht schlecht wären, dann mehrere Kerzenleuchter, einige Foltergeräte – zumindest die Grundausstattung: ein Holzkreuz, an das man jemanden ketten kann, diverse Peitschen, Handschellen, Streckbank, Käfig, Flaschenzug und natürlich einen Thron für die Domina, na ja, und so weiter. Man muss einen authentischen Befehlston und, ja …, eine gewisse Lust am Erniedrigen und Bestrafen unartiger Männer mitbringen. Wenn das nicht voll rüberkommt, merken es die Kunden bereits nach den ersten zwei Minuten.«
»Mein Gott!« Ich zündete mir die tausendste Kippe an. Das klang ja nach einem dunklen Drogentrip,
Venus In Furs
von Velvet Underground lief, dazu passend, in meinem Kopf, der Sado-Maso-Song. Nicht, dass ich diese Sexvariante verwerflich gefunden hätte, ganz und gar nicht, warum auch, nur ziemlich bizarr, ja, das schon, bizarr und befremdend.
Aus dem Nachbarzimmer drang Geschrei, eine männliche und eine
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