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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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hob sich majestätisch von all den anderen parkenden Wagen ab. Wir checkten hastig die Lage, dann schloss Doris auf, das Gepäck landete im Fond.
    »Willst du fahren, Hansi?« Das war psychologisch sehr geschickt.
    »Hey, was habt ihr in dem Wagen zu suchen?« Ein junger Typ, schmal, geschmeidig, womöglich kampf-erprobt, näherte sich. Diesmal reagierte ich locker: »Geht dich’n Scheiß an, Alter. Kannst aber gerne Rudi fragen. Er ist oben im Hotel, Zimmer sieben, macht gerade Turnübungen mit seiner Freundin.« Ich grinste anzüglich, er zeigte, wohl noch immer skeptisch, nur die Andeutung eines Grinsens, unternahm jedoch nichts, als wir in den Wagen stiegen. Ich drehte den Zündschlüssel – und prompt sprang der Achtzylinder-Motor an. Das klang satt, klang wie Musik in meinen Ohren, ließ mich sogar den Schmerz in meiner linken angeschwollenen Ohrmuschel vergessen. Automatik-Getriebe. Unglaubliche Beschleunigung.
    »Ledersitze, Edelholz, Kassettenrekorder, ich flipp gleich aus«, stöhnte ich verzückt. In einer Seitenstraße stoppte ich kurz, damit Doris ein paar Kassetten aus dem Koffer holen konnte. Sie überlegte lange, welche sie einschieben sollte, welche genau zu dieser Situation passen würde. Als sie sich entschieden hatte, fuhren wir bereits auf der Autobahn in Richtung Norden.
    Boogie On Reggae Woman
von Stevie Wonder schien auch mir ein guter Einstieg zu sein. In diesem Moment stellte ich wieder einmal befriedigt fest, wie prima wir zusammenpassten. Aber da war doch noch was: »Sag mal, woher wusstest du denn, dass ich ’ne Kanone hab?«
    Mildes Lächeln. »Ich bin vom Leben zur Vorsicht erzogen worden. Hab mal in deinen paar Sachen gewühlt, nur so, um zu wissen, mit wem ich’s zu tun habe, wenn du weißt, was ich meine.«
    Ich nickte ihr zu, in meinem Grinsen lag vermutlich jede Menge Anerkennung. »Na wunderbar!« Dann, gespielt pikiert: »
Ich
habe nicht in
deinen
Sachen rumgewühlt.«
    Sie lachte. »Deshalb bist du ja auch als Verbrecher gescheitert.«
    Da war was dran, musste ich mir und ihr leider eingestehen. Oh ja, es war gut, dass ich eine wie sie an meiner Seite hatte.
    Der Wagen lag wie ein Brett auf der Straße. Herrliches Fahrgefühl, eine weitere Erfüllung meiner Gefängniszellen-Träume. Einfach immer weiter fahren, dachte ich entrückt, tage- und nächtelang fahren …
    »Scheiße!«, rief Doris. »Da vorn ist ’ne Fahrzeugkontrolle. Wie ich diese Scheiß-RAF hasse.«
    Runter vom Gas, nicht die Nerven verlieren. Meine Nerven waren höchst empfindlich, und schon das zuckende Blaulicht machte mich fertig. Und außerdem: »Kein Fahrzeugschein, such mal im Handschuhfach nach dem Fahrzeugschein, vielleicht …, die Scheiß-Beretta, wir sind im Arsch, verdammt, es ist aus.«
    »Noch nicht«, murmelte sie nicht sehr überzeugend. »Vielleicht winken sie uns durch. Sie halten nicht jeden Wagen an.«
    Ich lachte bitter. »Warum sollten sie ausgerechnet einen signalroten Mercedes 450 SEL durchwinken?«
    »Weil Terroristen keine auffälligen Wagen klauen.« Sie klang gereizt, war vermutlich nicht völlig von dieser Theorie überzeugt. Und da vorne standen die Bullen, mit Maschinenpistolen, garantiert nervös. Wenn sie die Beretta fänden, würden sie sich auf uns stürzen, uns zu Boden werfen, in den Dreck, und sich auf uns knien. In meinem Kopf lief schon die ganze Prozedur ab: Handschellen, Verhöre, Fotos, Fingerabdrücke, die Zelle.

D ER T RAUM VOM TRAUTEN H EIM
    »Oh Scheiße, ey, ich glaub es nicht, sie haben uns einfach durchgewinkt. Ja, gibt’s denn so was? Gelobt sei der Herr!« Die Erleichterung ließ mich laut jubilieren. Ich atmete ganz tief durch. Noch ein Blick in den Rückspiegel: Blaulicht und leuchtende Polizeikellen blieben zurück und verschwanden schnell, kein Bullenwagen verfolgte uns, die nächtliche Autobahn wirkte so friedlich, wir fuhren in einem bequemen Schlitten, und
The End Is Not In Sight
von den Amazing Rhythm Aces blies süßliche Melancholie ins Wageninnere. Erst mal eine rauchen, den Adrenalinspiegel sacken lassen.
    »Das Schöne an solchen Horror-Momenten ist, dass der Moment danach, falls alles gutgeht, einem ein unbeschreibliches Glücksgefühl beschert«, sagte Doris, die bereits weitaus entspannter als ich zu sein schien, aber ebenfalls unbedingt eine rauchen musste. Ich nickte. »Wir haben echt Schwein gehabt. Wer weiß, verdammt noch mal, was sie außer der Waffe noch alles gefunden hätten.«
    »Das stimmt, verdammte Scheiße noch mal. Wir

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