Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Die Küche hatte einen Hinterausgang. Draußen in der Mitte eines planierten Platzes stand eine Handpumpe mit hölzernem Trog. Dahinter begann ein wilder Bauerngarten. Pflanzen, Blumen, mannshoch, dicht an dicht. Schmale getrampelte Wege führten hinein. Ein kleiner Urwald.
Ich betätigte den Schwengel der Pumpe, und nach ein paar Zügen kam das Wasser. Ich füllte den Topf und ging zurück. Sie hatte inzwischen das Feuer in einem kleinen, eisernen Herd geschürt, die Flammen schlugen oben heraus. Sie nahm mir den Topf ab und stellte ihn auf das Feuerloch. Dann wies sie auf den Küchentisch. Wir setzten uns. Die Kücheneinrichtung, aus rohem Holz gezimmert, war ein Museum. Schränke, in deren Fenster statt Glas zum Teil gewachstes Papier eingefügt war. Geschnitzte Löffel, Siebe, Kupfer- und Tontöpfe hingen an den Wänden. Eine Petroleumlampe über dem Tisch. Ein anderes Jahrhundert.
»Also, was willst du?«
Sie stand auf, nahm zwei Steingutbecher aus einem Regal, stellte sie vor uns auf den Tisch und schenkte aus einem Krug Wasser ein.
»Ich wollte dich besuchen, sehen, wie es dir geht. Ich war gerade in der Nähe, und da dachte ich ...«
»Erzähl keinen Unsinn!«, fauchte sie. »Kaum jemand weiß, wo ich wohne, und niemand, schon gar nicht du, kommt ohne Grund den weiten Weg.«
Ich trank etwas von dem Wasser. Es schmeckte kühl und angenehm.
Ich lächelte. Sie war schon damals sehr direkt gewesen. Sie sagte, was sie meinte, schonte niemanden.
»Was ist?«
»Ich erinnerte mich nur an früher. An deine Art.«
»Und das ist lustig?«
»Nein.«
»Ich habe keine Zeit für Höflichkeiten. Mein Leben verrinnt, und ich habe gerade beschlossen, noch einmal zu heiraten. Da gibt es viel zu tun. Also, was willst du?«
»Du willst heiraten? Bist du denn geschieden von Großvater?«
»Erstens solltest du ihn nicht Großvater nennen, und zweitens ist genau er mein Problem. Er will sich nicht scheiden lassen. Also sollte er schleunigst sterben.«
»Das verstehe ich nicht. Warum soll ich ihn nicht Großvater nennen?«
»Er ist dein Vater.«
»Wie bitte?«
»Oh, wusstest du das nicht? Der Hellste bist du wohl auch nicht, sonst hättest du dir das an den Fingern abzählen können. Er wollte dich adoptieren, wenn es so weit ist. Du solltest auch seinen Namen bekommen.«
»Was redest du da?«
»O Gott, ich muss dir doch nicht die ganze Geschichte erzählen? Lass es dir von deiner schamlosen Mutter erklären.«
Sie ging hinaus, stieg eine Treppe hoch. Ich hörte sie im oberen Stockwerk arbeiten. Sie kam wieder herunter, ging aus dem Haus, kam wieder herein, marschierte an der Küche vorbei. Vielleicht hatte sie vergessen, dass ich da war? Ich folgte ihr, aber sie bemerkte mich nicht, sondern spülte einen Holzbottich aus.
»Du stiehlst mir Lebenszeit.« Sie sagte es, ohne aufzusehen, und ging mit dem Bottich ins Haus. Ich folgte ihr.
»Ist meine Mutter meine Mutter?«
In der Küche setzte sie sich, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Sie kratzte sich ausführlich am Kopf.
»Gut. Deine Mutter ist deine Mutter. William hat mich mit ihr betrogen wie auch mit Zora. Es waren seine Geliebten, und er hat sie seinem Sohn und Enkel als Ehefrauen zugeteilt. Das war's.«
»Warte! Ist das wirklich wahr? Oder sagst du das nur so, um mich schnell loszuwerden?«
»Ich bin keine Godin, mein Lieber. Ich heiße nur so, weil sich dieses Arschloch nicht scheiden lassen will.«
»Aber meine Eltern haben nie ...«
Ich muss es leider sagen, mein Sohn Frank, also dein Stiefvater, ist ein ausgemachter Dummkopf, und deine Mutter ist eine Mörderin. Was erwartest du von denen?«
»Du sagst das nur so.«
»Denk nach, denk zurück. Du wirst in Williams Verhalten alles bestätigt finden. Du bist sein Sohn. Er hatte Großes mit dir vor. Aus seiner Sicht sind unsere gemeinsamen Söhne missraten. Du solltest die Familie fortführen, mit all diesem Geheimquatsch aus der Vergangenheit.«
Sie hatte nicht aufgehört, sich den Kopf zu kratzen. Jetzt fuhr sie sich mit beiden Händen durch die Haare, rubbelte sie. Dann sprang sie auf, schüttelte die Haare nach vorn aus und warf sie wieder zurück. »Ich kriege Läuse von diesem Thema.«
»Bin ich wirklich sein Sohn?« Ich wusste nicht, ob ich ihr glauben sollte. Es war eine ihrer Gemeinheiten. Sie wollte mich verunsichern und loswerden.
»Frag William selbst.« Sie verließ die Küche. Ich hörte sie die Treppe hinaufgehen. Dann war alles ruhig. Sie kam nicht wieder. Ich stand auf,
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