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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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waschen und auch alle meine Sachen. Es geht nicht weg. Es ist immer wieder von neuem da. Ich wasche und wasche und wasche. All das Schlechte, all der Gestank, das ganze Leben. Ich denke, ich muss einfach noch mehr Wasser benutzen, den Stoff sich vollsaugen lassen, ihn auswringen, immer wieder und wieder ...« Sie stoppte, hob den Kopf und blinzelte in den Himmel. Ein Fauchen löste sich. Die Wolken am Himmel Wäschestücke. Sie trockneten nicht. Waren nicht sauber genug, hatten graue Stellen. Dann kam ihr Blick zurück, erforschte etwas, das weit hinter mir lag. Schließlich drehte sie den Kopf, kniff die Lippen zusammen und sah zu Boden.
    »Waschen«, sagte ich, »nützt nichts.«
    Sie schnaufte, zog die Mundwinkel unter Schmerzen hoch. »Ich weiß. Ich werde immer dünner davon. Alles löst sich auf. Am Ende sind es nur noch Krümel. Aus Knochen werden Sandkörner. Der Mensch ist eine Wüste. Tausendmal gewaschen.«
    Ich hätte sie gern in den Arm genommen. Sie ahnte es, vollführte eine halbe Drehung und sprach in Richtung der Werkstatt: »Wenn das Wasser doch seine Botschaft übertragen könnte, dann würde alles durchs Waschen gut. Es muss gehen, ich habe nur noch nicht das richtige Verfahren.«
    Sie ging in Richtung Werkstatt, redete weiter, ohne auf mich zu achten. »Ich glaube an das Wasser. Seit Anfang der Erde muss es da gewesen sein. Bis heute unverändert. Ich glaube, Wasser ist Gott. Es ist so alltäglich, so banal. Es ist in uns, regnet vom Himmel herab, wäscht alles von uns ab. Wo es entlangfließt, blüht und gedeiht alles, die Landschaft und die Menschen. Auf anderen Planeten findet man es nicht. Es muss Gott sein.«
    Sie hatte das offene Garagentor erreicht. Sie drehte sich um, war wieder mein Feind.
    »Wissen Sie, was das Schlimmste ist? Das jüngste Glied in einer Generationenkette zu sein. Die hängen alle an einem dran, übertragen von Glied zu Glied ihre Abneigungen und Abhängigkeiten, ihre Befürchtungen, ihre Verzweiflung. Jeder vererbt es auf den nächsten. Und plötzlich steht man da und spürt, man hat all das wie ein Gewicht am Hals und muss es weiterführen. Das Einzige, was hilft, ist, die Kette zu unterbrechen. Mit einem Mord. Nur ein Mord innerhalb der Familie zerbricht die Kette. Da ich meinen Vater nicht umbringen kann, muss ich seinen Vater umbringen.«
    »Ein interessanter Gedanke, aber ich glaube, es funktioniert nicht, herkunftslos zu werden.«
    Ihre Augen wuchsen, als hätte sie mich erst jetzt entdeckt. Meinen Einwand nahm sie nicht wahr.
    »Sag mir, wie dieser William Godin ist. Ist er ein Irrer? Geistesgestört, meine ich. Die reichen Irren haben Macken, die armen Irren kommen in die geschlossene Anstalt, so ist es doch.«
    »Ich habe ihn seit langem nicht mehr gesehen. Frederik meinte, du wüsstest, wo er wohnt.«
    »Ich habe mal versucht, es herauszufinden.« Sie lachte. »Ich wollte den Erbfall herbeiführen, mein Vater sollte sein Geld bekommen, und ich wollte die Kette unterbrechen.«
    Sie verschränkte die Hände hinter dem Körper und lehnte sich an die Wand der Werkstatt.
    »Mein Vater wird nur noch zwei oder drei Jahre leben. Seine Leber ist stark angegriffen. Das Geld seines Vaters könnten wir jetzt gut gebrauchen.«
    Ich überlegte, ob sich für Frederik eventuell auch eine riesige Summe auf dem Anwaltskonto angehäuft haben könnte.
    »Aber«, fuhr sie fort, »andererseits ist es die Frage, ob man ihm helfen sollte. Es ist sein Wille, so zugrunde zu gehen. Und stellen Sie sich vor, er hätte plötzlich viel Geld. Er würde damit seinen Sterbeprozess nur beschleunigen.«
    »Übrigens, falls du ihn umbringst, es gibt kein großes Erbe mehr. Das Barvermögen ist weg. Jedenfalls behauptet der Anwalt das. Ich könnte aber dafür sorgen, dass du monatlich ...«
    »Nein, nein, nein. Almosen nehmen wir nicht. Dann kann er auch weiter betteln gehen.« Sie hob ihre Hände, legte sie gegen das Gesicht. »Kein Erbe, sagst du? Dann fällt es leichter, ihn umzubringen! Du hast keine Ahnung, wo er ist?«
    »Nein, ich hatte ja gehofft, du könntest ... wie weit bist du gekommen?«
    »Ich kam bis zur Großmutter. Da war schon Schluss. Sie wusste es auch nicht. Jedenfalls glaubte ich ihr. Sie war so voller Hass auf ihn.«
    »Dann werde ich es herausfinden.« Ich ging einen Schritt auf das Garagentor zu. »Gibt es noch einige der Autos, die dein Vater gefahren hat?«
    »Es waren fünf. Bist du interessiert? Die beiden schnellsten habe ich im Laufe der Zeit verkauft. Es ist noch

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