Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
ein Ford da und ein Geländefahrzeug.« Sie löste sich von der Wand, klopfte ihren Anzug ab. Ich folgte ihr zur Rückseite der Werkstatt. Ein Stück entfernt buckelten drei Wohnwagen dicht auf dem Erdboden. Ihre Reifen waren platt. Bei dem einen fehlten Tür und Fenster.
Salina öffnete das erste Tor einer Reihe von Garagen. Der Ford war ein amerikanisches Cabriolet. Ein schwarzer Oldtimer mit einer naturalistischen Bemalung züngelnder Flammen an beiden Seiten. Ich kannte ihn, Frederik war damit durch Feuerwälle gefahren. Dahinter stand ein älterer geschlossener Jeep. Beide Fahrzeuge waren verschmiert und verstaubt, an den Kotflügeln rostig. Eine Seitenscheibe des Geländefahrzeuges war eingeschlagen.
»Was hat er mit dem Jeep gemacht?«
»Willst du den? Damit sind wir bis vor einem Jahr noch gefahren.«
»Ich will meinen Vater besuchen. Soviel ich weiß, wohnt er in der ehemaligen Hütte unseres Großvaters. Da könnte ich so einen Wagen gebrauchen. Es sind Waldwege. Fährt er noch?«
»Klar. Ich kann ihn herrichten und anmelden.«
Ich zwängte mich an dem Flammenwagen vorbei und betrachtete die Reifen des Jeeps. Sie waren gut erhalten. »Wie viel?«
Sie nannte einen Preis. »Hinzu kommen die Teile. Ich sage mal, die Scheibe, neue Stoßdämpfer und so kleinerer Mist wie Kerzen, Schläuche, Öl und die Waschanlage.«
»Wann?«
»Zwei Tage brauche ich.«
»Einverstanden.«
Wir verließen die Garage. »Könntest du den mit den Flammen auch im Laufe der nächsten Zeit fertig machen? Ich zahle die Ersatzteile und die Arbeit auf jeden Fall. Und wenn er fährt, überlege ich mir, ob ich ihn kaufe. Oder wir finden einen anderen Käufer. Ist mir auch recht.«
Sie rechnete, wie viel Geld sie ungefähr benötigte. Ich schrieb die Summe auf einen Scheck.
»Schaffst du das auch allein?«
»Mein Vater wird mir helfen. Das mit den Autos macht er immer noch gern. Ich darf ihm nur nicht sagen, wer der Käufer ist.«
»Kannst du ihn nicht davon überzeugen, dass ich nichts mit meinem Großvater zu tun habe?«
»Nach dem Treffen war er gegenteiliger Meinung.«
»Ich weiß, aber ich verstehe nicht, wieso. Erst vertraute er mir und plötzlich nicht mehr. Noch etwas: Die Adresse der Großmutter hätte ich gern.«
»Warte hier. Rühr dich nicht vom Fleck, ich hole sie.«
»Du traust mir also doch nicht?«
»Ich will nicht, dass er dich sieht. Und selbstverständlich solltest du, wenn du den Wagen abholst, kontrollieren, ob die Bremsschläuche angebohrt und ob die Radmuttern festgezogen sind.«
Grinsend ging sie auf die Wohnwagen zu, klopfte ihren Anzug ab und betrachtete ihre Handflächen. Dann öffnete sie vorsichtig die Tür, gab mir noch einmal ein Zeichen, zu warten.
Oben am Himmel färbten sich die Wolken dunkelgrau. Vielleicht hatte sie recht mit ihrem Wasser und Gott.
6
»Was willst du?«
Meine Großmutter hatte mich sofort erkannt, drehte noch an der Haustür um, ließ sie offen stehen und ging ins Haus zurück. Von hinten glich sie einem jungen Mädchen.
»Ich weiß es schon.« Sie fluchte. »Einmal musste es ja sein. Komm schon!«
Sie war barfuß. Glattes, kaum graues schulterlanges Haar. Sie trug ein einfaches Kleid aus verwaschenem, vormals blauem Sackleinen mit groben Nähten und dicken Säumen. Sie war einige Jahre jünger als Großvater. Ich erinnerte mich an eine Geburtstagsfeier, an die Zahl auf der Torte und versuchte abzuschätzen, wie alt ich damals war, um ihr jetziges Alter auszurechnen. Sie musste mindestens fünfundachtzig sein. Sie verschwand hinter einer Tür. Der Flur ein dunkler Tunnel.
Die Dielen knarrten unter meinen Füßen. Alles war aus rohem Holz, das nach Honig roch. Das ganze Haus. Es war eines von einer ganzen Reihe, alle zur gleichen Zeit gebaut. Gras auf den Dächern. Nicht weit von Frankfurt, Richtung Spessart. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln dauerte die Reise einen halben Tag. Ein langer Fußweg und am Ende einer Privatstraße und Sackgasse die Siedlung. Gleichgesinnte Bewohner. Naturfreunde. Einige arbeiteten nackt im Garten.
Großmutter wollte immer in einem Haus aus Holz wohnen. Ich erinnerte mich an einen ihrer Vorträge, mit denen Sie uns zu einer ursprünglichen Lebensweise bekehren wollte. Hinter Mauern geschah das Böse. Mauern schirmten Gott ab.
Ich folgte ihr in die Küche. Der Raum war dunkel, hatte nur kleine Fenster. Wie erwartet gab es keinen Strom im Haus. Sie drückte mir einen großen Topf in die Hand.
»Hol Wasser.« Sie zeigte in den Garten.
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