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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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dort, in Rjanka, hatte man jetzt wirklich jemanden verbrannt, noch dazu eine völlig unschuldige Frau. Und vor dem Sitz der Inquisition in Rjanka demonstrierten seit dem Morgen die Menschen: »Schützt uns vor den Hexen!«
    Im welchem Irrenhaus hatte man diese Hysterikerin bloß aufgetrieben? »Das ist bloß der Anfang! Das ist bloß der Anfangt Wartet's nur ab!«
    Jetzt kam eine verängstigte Frau mit einem Kind auf dem Arm ins Bild. »Was haben wir ihnen denn getan, diesen Hexen? Was haben wir ihnen bloß getan? Angeblich sind schon alle Brunnen … und auch das Leitungswasser vergiftet …«
    Klawdi stellte den Fernseher ab. Aus einem halbleeren Päckchen fischte er eine weitere Zigarette. In einer Ecke stand ehrerbietig ein Bote, der wohl dachte, er verberge seine Gedanken zur Genüge. Doch hinter der Fassade höflicher Aufmerksamkeit ließen sich auf seinem Gesicht ohne Frage Verzweiflung und Ärger erkennen: Der Großinquisitor macht es sich gemütlich. Der Großinquisitor tut nichts, sondern legt die Beine hoch, trinkt Kaffee und macht einem Päckchen Zigaretten den Garaus, während sich eine Epidemie ausbreitet und die Panik auf die Hauptstadt überzugreifen droht.
    Das Telefon blökte mit schwacher Stimme los. »Nieder mit dem Abschaum!«, meldete sich der Polizeichef.
    »Nieder mit ihm.« Klawdi ließ das Feuerzeug aufschnippen und blinzelte in die bläulich-gelbe Flamme.
    »Man hat sie hergebracht, Patron … Vier. Der Rest taugte ohnehin nichts, den haben wir gleich in der Kreisverwaltung behalten …«
    »In den Verhörraum.«
    »In welcher Reihenfolge?«
    »Egal. In alphabetischer.« Klawdi legte auf und erhob sich. Als der Bote seinen Blick auffing, trat er unwillkürlich einen Schritt zurück – mit einem Nicken entließ Klawdi ihn.
    In seinem Vorzimmer versauerte der Kurator des Kreises Rjanka. Da er den Kollegen, einen Nichtraucher, nicht mit seinem Tabakrauch belästigen wollte, verschwand Klawdi durch eine Geheimtür. Der Kurator wartete bereits seit dem Morgen darauf, vorgelassen zu werden. Klawdi wusste nicht, weshalb er diesen im Grunde anständigen Menschen quälte; darüber würde er sich später den Kopf zerbrechen. Und er würde versuchen zu vergessen, dass ebendieser Kurator vor fünf Jahren alles darangesetzt hatte zu verhindern, dass Klawdi Starsh seinen jetzigen Posten bekam. Oder sollte er besser versuchen, sich daran zu erinnern?
    Der Verhörraum lag traditionell im Kellergeschoss, fünf Minuten von seinem Büro entfernt, wenn er gemächlich ging. Also konnte der Großinquisitor noch in aller Ruhe zu Ende rauchen.
     
    (Djunka. Oktober - Dezember)
    Versetzt wurde Starsh noch unter Vorbehalt, doch bereits im Herbst bestand er ordnungsgemäß die beiden fehlenden Prüfungen. Sein Zimmergenosse war nun Juljok Mytez, ein gutmütiger Tollpatsch, der Liebling aller Frauen und ein Ritter mit Mandoline. Im Zimmer gab es fast jeden Tag eine Party, wobei Klaw wie alle grölte und sich gesellig zeigte. Er machte jetzt alles wie alle, denn jene Worte von Djunkas Schwester: »Reiß dich zusammen, Klawdi. Du führst dich auf, als wärst du der Einzige, der Dokija geliebt hat« hatten sich tief in seiner Seele eingenistet.
    Zum Friedhof konnte er bequem trampen. Die Fahrer schwerer LKWs kannten ihn schon bald und hielten an, ohne auf sein Zeichen zu warten.
    Von diesen nächtlichen Ausflügen wusste nur Juljok. »Klaw, was soll das denn? Bei dem Regen heute … Willst du nicht lieber morgen fahren? Ja, ja, ich halt schon den Mund. Also, dann bring ich heute Lynka mit aufs Zimmer. Du hast doch nichts dagegen, oder?«
    Stundenlang saß Klawdi auf der kleinen Bank an der Friedhofsmauer. Neben sich stellte er eine batteriebetriebene Lampe – und versank dann in einen Dämmerzustand, in einen Tagtraum. Und dort, in diesem Traum, lebte Djunka und war an seiner Seite.
    Der alte Lum sprach ihn nur noch ein Mal an. Unhörbar trat er aus der Dunkelheit heraus und versperrte ihm den Weg zum Grab. »Aus Unwissenheit richtest du schlimme Dinge an, mein Junge. Störe sie nicht. Quäle weder sie noch dich, erinnere dich voller Freude an sie, aber störe ihre Ruhe nicht mit deinen Rufen!«
    »Sie können mich nicht trösten!«, sagte Klaw leise. »Gehen Sie weg!«
    »Dir sind bestimmte …« Der alte Lum presste die Lippen aufeinander. »… Möglichkeiten gegeben. Ich weiß nicht, was du einmal werden wirst, aber … dein Wunsch hat ein zu großes Gewicht. Wünsch dir daher nichts Unvernünftiges.«
    Mit diesen

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